Strike Bike – Runde zwei

Mitte März informierten die Ex-BetriebsbesetzerInnen und Produzenten des feuerroten Strike Bike die Öffentlichkeit über die Gründung einer eigenen Firma. Die Strike Bike GmbH will in Nordhausen weiter Drahtesel produzieren. Über eine zweite Direktvermarktungsaktion müssen bis zu 2.000 Räder mit Vorfinanzierung verkauft werden, um das nötige Geld für den Kauf einer Laufradfertigung zu erwirtschaften. Das Kapital zur Gründung der GmbH haben vier der Aktivisten zusammengekratzt. Der Belegschaftsverein „Bikes in Nordhausen e.V.“ stellte die verbliebenen ca. 60.000 Euro aus der Gewährleistungsrückstellung der Strike-Bike-Produktion zur Verfügung.

Der symbolische Produktionsstart erfolgte am „Tag der Arbeit“. Ab dem 5. Mai standen dann einige der 21 MitarbeiterInnen wieder an einem alten, dem Ex-Besitzer Biria abgekauften, manuellen Montageband, während sich die neuen Arbeiter-Geschäftsführer um die Vermarktung bemühten. Aber die Gründung einer eigenen Firma ist schwerer zu „verkaufen“ als eine dramatische Betriebsbesetzung…

Erst nach Mitternacht sendete das RTL-Nachtjournal am 2. Mai einen Fernsehbericht. Die Reportage wird mit dem Satz anmoderiert: „In Nordhausen gilt Jammern über drohende Arbeitslosigkeit nicht“, weil hier einige arbeitslose Fahrradwerker „couragiert selbst aktiv“ würden. Das passt in die gesellschaftlichen Vorstellungen nicht nur dieser Art von Journalisten: „Mit Enthusiasmus gegen den Turbokapitalismus – Vom Streikführer zum Geschäftsführer“. Dieser Seitenhieb gegen die rebellischen ArbeiterInnen, die einfach nicht klein beigeben wollen, musste wohl unbedingt rausgehauen werden, der Kapitalismus nochmals als Sieger propagiert werden, dessen Logik sich am Ende durchsetze.

Kritik kommt auch von anderer Seite. Vielen ehemaligen UnterstützerInnen bereitet es zumindest ideologische Bauchschmerzen, dass die ehemaligen BetriebsbesetzerInnen ein „normales“ Unternehmen gründen. Aber stimmt dieses Weltbild, was ist denn schon eine „normale“ Fabrik in Arbeiterhand? Was passiert in Argentinien in den „fabricas occupadas“? Aus besetzten, weil heruntergewirtschafteten oder brachliegenden Fabriken machen die ArbeiterInnen aus der Not drohender Arbeitslosigkeit wieder funktionierende Betriebe. Ob als kleine Klitsche, als selbstverwalteter Tigre-Supermarkt oder als großer Zulieferer für die mafiöse Bauindustrie wie die Zanon-Kachelfabrik in Patagonien. Diese Vorbilder sind schön weit weg – und niemand hinterfragt ernsthaft, wie die dortigen KollegInnen das denn alles schaffen.

Nordhausen liegt da näher – und so wird oft nach dem Konzept der Strike-Bike-KollegInnen gefragt und ob es denn unterstützenswert wäre. Für wen soll produziert werden – für den normalen kommerziellen Markt und den Vertrieb über Fachgeschäfte? Wäre es nicht besser, den Zwischenhandel auszuschalten? Aber wie kommen dann die Fahrräder in den Briefkasten der KäuferInnen? Oder sollte nur für eine solidarisch-alternative Zielgruppe produziert werden, die politisch und ökonomisch eine andere Welt für möglich hält? Reicht aber diese Gruppe als AbnehmerInnen solider und preiswerter Fahrrädern aus, um mehr als einer Handvoll ArbeiterInnen eine Zukunft zu sichern?

Das Konzept der Strike-Biker

Die Nordhäuser haben ihr eigenes Konzept: Sie wollen so viele entlassene Ex-KollegInnen wie möglich wieder in Lohnarbeit bringen, um so eine Alternative zum Wegziehen aus Thüringen oder zu schlechter bezahlten Arbeitsplätzen aufzubauen. Den ArbeiterInnen wurden fast nur Zeitarbeitsjobs angeboten, mit Stundenlöhnen unter 6 Euro und Kettenarbeitsverträgen für jeweils wenige Monate. Dieser Perspektive wird nun die selbstverwaltete Strike Bike GmbH mit einheitlichem Monatslohn entgegengestellt. Damit das Projekt gelingen kann, müssen relativ hohe Stückzahlen produziert werden, es sollen aber auch neue Produkte gefertigt werden, wie etwa Spezialfahrräder mit Elektroantrieb oder robuste Fahrradanhänger bzw. Handwagen.

Bisher haben weder die solidarischen UnterstützerInnen aus der Strike-Bike-Phase noch die selbstverwalteten Fahrradläden (VSF) mit finanzieller Unterstützung direkt helfen können oder wollen. Der VSF verwies auf seine Mitgliedsfirmen und der Hauptgeschäftsführer Lehrmann des Verbandes des Deutschen Zweiradhandels wird so zitiert: „Wenn Abnehmer da sind, sehe ich keine Probleme.“ Aber genau das ist das Problem: Die beiden Händlerorganisationen haben bisher nur Interesse an der Lieferung von rund 18.000 Rädern bis Ende des Jahres bekundet! Es wurden 6.000 Infobriefe an Fahrradhändler verschickt, die erhofften Bestellungen blieben jedoch aus. Die zwei im Außendienst reisenden KollegInnen erhalten bei der direkten Vorstellung ihrer Firma im Fachhandel hingegen gute Resonanz, die georderten Räder werden meist vorfinanziert.

Staatliche Fördergelder haben die Radschrauber bisher nicht bekommen. Während anderswo in Thüringen Subventionsmillionen aus dem EU-Fonds für regionale Entwicklun und aus Bundesmitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ fließen, hat die Thüringer Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) nichts weiter als eine „große Fresse“ gehabt: von ehemals 135 KollegInnen haben nur 40 eine neue Arbeit gefunden. Der CDU-Wirtschaftsminister Reinholz hatte die Plattsanierung der Bike Systems GmbH als „willkommene Marktbereinigung“ bezeichnet, warum sollte er nun eben diese ArbeiterInnen wieder (subventioniert) Fahrräder produzieren lassen? Bis Ende Juni leben die Striker-Biker noch von dem Geld aus der Transfermaßnahme (80% vom letzten Nettolohn). Ab Juli müssen sie ihre Löhne selbstverwaltet erwirtschaften oder sich bei der Arbeitsagentur für ALG I anstellen.

Solidarität und gegenseitige Hilfe?

Innerhalb der FAU gibt es weiterhin Bereitschaft, die Strike-Biker zu unterstützen. Allerdings gehört eine Firmengründung sicherlich nicht in den Aufgabenbereich einer Gewerkschaftsföderation. Für Unmut sorgt zudem, dass sich die GründerInnen der Strike Bike GmbH nicht mehr so recht an die Solidarität der AnarchosyndikalistInnen erinnern mögen. So wird die FAU, aus der nicht nur die Idee für das Strike Bike kam, sondern von deren Seite auch die gesamte Pressearbeit, der Internetauftritt, die Mobilisierung der internationalen Solidarität und der Europa-Vertrieb des Strike Bike gewährleistet wurde, in einem Unterstützungsaufruf der Strike Bike GmbH nur unter „verschiedenste Gewerkschaftsgruppen“ abgetan, die die Produktion des Strike Bike ermöglicht hätten. Kritisiert wird, dass die Nordhäuser Fahrradwerker ein rein instrumentelles Verhältnis zu ihren UnterstützerInnen hätten.

Bis Anfang Juni gingen nur knapp 600 Bestellungen für die „Schwarzen (Räder) mit der roten Seele“ ein. Es wird also weiterhin solidarische Unterstützung benötigt. Die Ausdauer und unglaubliche Hartnäckigkeit dieser KollegInnen verdienen Respekt. Ihre Uneinsichtigkeit in die kapitalistischen Notwendigkeiten wird ihnen hoffentlich weiter den Rücken stärken. Dabei sollten sie allerdings nicht vergessen, auf wen sie sich verlassen konnten, als es darauf ankam. Solidarität ist keine Einbahnstraße. Eine kämpferische Arbeiterbewegung kann nur auf der Grundlage gegenseitiger Hilfe und Solidarität entstehen.

 

Bestellungen und Informationen über: www.strike-bike.de

 

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