Kooperative Ausbeutung

Die ArbeiterInnen von FagorMastercook im polnischen Wroclaw befinden sich seit Juni dieses Jahres in einem immer weiter eskalierenden Konflikt gegen den spanischen Haushaltselektronik-Multi Fagor. Der Arbeitskampf wird hauptsächlich von der klassenkämpferischen Gewerkschaft WZZ Sierpień 80 (August ’80) getragen, die seit Gründung der Betriebsgruppe im Jahr 2007 Gehaltserhöhungen fordert, denn die Löhne für ProduktionsarbeiterInnen liegen mit 1.200 Zloty (ca. 360 Euro) monatlich nur knapp über dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn.

Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, organisierte die Gewerkschaft im Juni einen Warnstreik, an dem sich über 90% der Belegschaft beteiligten. Die Betriebsleitung reagierte darauf mit massiven Repressionen. Über 20 Beschäftigte wurden entlassen – dabei handelte es sich ausschließlich um Mitglieder der Sierpień 80. Die Verbliebenen werden seitdem massiv eingeschüchtert und müssen unter ständiger Bewachung von Vorarbeitern arbeiten. Kleinste Nachlässigkeiten führten bereits in zwei Fällen zu Kündigungen.

Um weiterem Aufbegehren zuvorzukommen, hat die Leitung des Werks zur Kontrolle der ArbeiterInnen den berüchtigten privaten Sicherheitsdienst Impel angeheuert, der seitdem die Produktionsanlagen bewacht. Die ArbeiterInnen müssen sich vor Betreten der Fabrik einer Leibesvisitation unterziehen und werden auch während der Arbeit von patrouillierenden Impel-WachschützerInnen überwacht. Bei einer Demonstration von ArbeiterInnen und UnterstützerInnen im Juli wurde der Wachschutz schließlich mit schusssicheren Westen und mit Gummigeschossgewehren ausgerüstet, so dass die Fabrik endgültig einem militärischen Sperrgebiet glich. Inzwischen ist Sierpień 80 auch vor Gericht gezogen, um gegen die Kündigungen Widerspruch einzulegen. Ein baldiges Urteil ist allerdings nicht zu erwarten.

Soziales Image im Baskenland…

Mit dieser Vorgehensweise wäre Fagor unter den multinationalen Konzernen, zu denen das Unternehmen als eines der europaweit größten seiner Branche gehört, keine Ausnahme. Allerdings ist Fagor Teil der Mondragón Corporación Cooperativa (MCC), des weltweit größten Verbandes von Kooperativen, innerhalb derer etwa 95.000 Menschen arbeiten. Neben Fagor gehören zur MCC Banken, Versicherungsunternehmen, die Supermarktkette Eroski sowie über 250 andere Betriebe verschiedenster Branchen. Die ArbeiterInnen der Mitgliedsunternehmen der MCC müssen laut spanischem Recht zu mindestens 75% KooperativistInnen sein, also Anteile an der Firma besitzen. Das gilt allerdings nicht für die Subunternehmen im Ausland, wie z.B. FagorMastercook, das für den osteuropäischen Markt produziert.

Fagor, das Pionierunternehmen der MCC, hat sich innerhalb der 50 Jahre Firmengeschichte von einer kleinen Werkstatt für Heizöfen zu einem multinationalen Konzern entwickelt. Die kooperative Struktur wurde beibehalten, und obwohl heute nur noch ca. 80% der Fagor-ArbeiterInnen KooperativistInnen sind, gilt Fagor in Sachen Arbeitsbedingungen als Musterbetrieb. So wirbt Fagor damit, 2003 von der Zeitschrift „Fortune“ zu einer der 10 arbeitnehmerfreundlichsten Firmen gewählt worden zu sein und proklamiert „Unterordnung des Kapitals unter die Arbeit“ als Firmenprinzip.

Und tatsächlich gelten die Arbeitsbedingungen im baskischen Stammwerk als vorbildlich, die Löhne sind nicht nur für KooperativistInnen vergleichsweise hoch, Fagor bietet auch weitere freiwillige Leistungen, wie kostenlose Busse zu den Werkshallen und kostenlose ärztliche Notfallversorgung direkt in der Fabrik. Die KooperativistInnen können dort auf regelmäßigen Vollversammlungen auch Einfluss auf die Unternehmenspolitik nehmen.

…und Gewinnmaximierung in Polen

Doch diese sozialen Standards gelten für die Belegschaft des Stammwerks in Arrasate – nicht aber für die ArbeiterInnen in den ausländischen Tochterunternehmen, Joint Ventures und Produktionsstandorten von Fagor in China, Marokko oder eben in Polen. Außerhalb der baskischen korporativen Idylle gelten die Spielregeln des globalisierten Kapitalismus, die die polnischen ArbeiterInnen zu spüren bekommen. Konsequenter Weise nutzt Fagor in Wroclaw die Vorteile der Produktion in einer Freihandelszone und führt die dank Umsatz- und Vermögenssteuerfreiheit sowie Subventionen des polnischen Staates und der EU erhöhten Gewinne nach Spanien ab. Da die KooperativistInnen von Fagor, also ein Großteil der ArbeiterInnen im Baskenland, durch jährliche Ausschüttungen am Gewinn beteiligt werden, sind es auch sie, die von den unmenschlichen Arbeitsverhältnissen in Polen profitieren.

Währenddessen kämpft die Sierpień 80 in Polen weiterhin für die Wiedereinstellung der gefeuerten KollegInnen, wenn auch momentan hauptsächlich auf juristischer Ebene. Ein weiterer Ansatzpunkt ist die internationale Vernetzung. So haben sich die französische Gewerkschaft Solidaire-Unitaire-Démocratique (SUD), die bei Fagor-Brandt, einem weiteren Subunternehmen von Fagor in Lyon, aktiv ist, und die baskisch-linksnationalistische Gewerkschaft Langile Abertzaleen Batzordeak (LAB) solidarisch erklärt und Kontakt mit der Sierpień 80 aufgenommen. Allerdings ist ironischerweise ein nicht unbeträchtlicher Teil der Fagor-KooperativistInnen im Baskenland in der LAB organisiert, die sich zwar offiziell mit der Sierpień 80 solidarisiert, aber bisher nicht die Möglichkeit der Mitbestimmung bei Fagor in Betracht gezogen hat, um die Lage ihrer KollegInnen in Wroclaw zu verbessern.

Daniel Colm (FAU Berlin)

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