Spiegelbild der spanischen Gesellschaft

Ausgangspunkt: Ein kleines Dorf in Kastilien-La Mancha, nicht weit von Madrid entfernt gelegen.

Ortsschild "Llanos del Caudillo"

Würde Lucía de Palacios nicht aus Valdepeñas in Kastilien-La Mancha stammen und hätte sie nicht 1999 zusammen mit Dietmar Post ihre Eltern besucht, wäre dieser Film nie entstanden. Aber so fiel dem deutschen Filmemacher und Grimme-Preisträger1 auf einer Autofahrt ein Straßenschild mit dem Hinweis auf „Llanos del Caudillo“ ins Auge und seine Neugier war geweckt. Was er des Namens wegen – Hochebene des Führers – zuerst für einen Landstrich hielt, entpuppte sich als 1955 gegründetes Dorf und zwar als eines jener 300 künstlichen Dörfer, die während Francos Diktatur vom Instituto Nacional de Colonización als Teil eines großen spanischen Umsiedlungsprojekts für verarmte Landbauern errichtet wurde, mit dem Ziel den neuen faschistischen Menschen zu schaffen, der – anti-urban und Anti-Arbeiterklasse – an sein Land gebunden und dem Regime treu ergeben ist.

„Wir ließen die Menschen erzählen“

Es sei für ihn als Deutschen schwer vorstellbar, so Dietmar Post, dass ein Diktator wie Francisco Franco, der seine politischen Gegner auch weit nach dem Spanischen Bürgerkrieg noch blutig unterdrückte und eliminierte, durch nach ihm benannte Städte, Straßen und Plätze gewürdigt werde.

Aber ist dieser Umgang mit der Vergangenheit wirklich so unbegreiflich? Schließlich wurde nach Francos Tod Archivmaterial zum Spanischen Bürgerkrieg, das sich in seinem Besitz befand, nicht an öffentliche Archive übergeben, sondern in der Nationalstiftung Francisco Franco (Fundación Nacional Francisco Franco) verwaltet, wo unliebsame ForscherInnen keinen Zugriff haben.

Es habe sich einiges getan in diesen zehn Jahren, fährt Dietmar Post fort, ab 2000 seien beispielsweise die ersten Massengräber geöffnet worden. Von daher sei es ganz gut gewesen, dass von der ersten Idee zum Film bis zu dessen Umsetzung so viel Zeit verstrichen sei. Manche Dinge bräuchten eben Zeit, sagt er und weist auf The Spanish Holocaust von Paul Preston hin, das er für ein Standardwerk zum Thema hält.

Im Jahre 2008 begannen Lucía Palacios und Dietmar Post mit den Dreharbeiten, sechs Wochen lang filmten sie in Llanos del Caudillo und führten dabei lange Gespräche mit drei Generationen von SiedlerInnen, um deren unterschiedliche Sichtweisen zu verdeutlichen.

Was denken die 85-jährigen? Was die 65-Jährigen? Und was denken die Menschen unter 45 Jahren über das Leben in Llanos del Caudillo? Lucía Palacíos und Dietmar Post lassen die ProtagonistInnen ausführlich berichten und kommentieren zurückhaltend, lassen lieber das Material für sich sprechen, sie erzählen Geschichte von unten. Wichtig war ihnen auch der Blick von außen auf das Leben im Dorf, im Film repräsentiert durch Manolo, den Bruder eines Einwohners, der 1956 nach Deutschland auswanderte und der bei seinen Besuchen zusammen mit seiner deutschen Frau Karin Entwicklungen und Veränderungen deutlicher wahrnimmt und anspricht.

Des Weiteren führten die beiden Gespräche mit dem ersten faschistischen Bürgermeister, der nunmehr in Immobiliengeschäften tätig ist und der nicht mehr über Politik reden will, dem ersten Priester, der sich selbst als aalglatter Anhänger von Opus Dei entlarvt und dem ersten Agronomen der Siedlung.

Eine weitere zentrale Figur des Films ist der ehemalige Franco-Minister und Mitglied der Falange José Utrera Molina, der sich in der Unterhaltung als kompromissloser und unbeugsamer, in die Medien verliebter Faschist auf der Suche nach Beachtung präsentiert. Ihm wurde 2011 von der Francisco Franco Stiftung ein Orden für seine Verdienste an der „nationalen Bewegung“, der faschistischen Bewegung verliehen.

Der Film bekam eine neue Wendung als die Schwester des Bürgermeisters beim Umbau eines alten Hühnerstalls 2 km außerhalb des Dorfes brisante Dokumente entdeckte, die buchstäblich in letzter Minute dem Feuer entrissen wurden und die bis zu den Gründerjahren von Llanos del Caudillo zurückreichen. Dieser Moment habe den Film komplett verändert, der Wert der Dokumente könne nicht hoch genug eingeschätzt werden, sagt Dietmar Post, lieferten sie doch Beweise für die Vermutungen der Landarbeiter über den Verbleib der Ernte.

Santiago Sánchez Morena, der aktuelle Bürgermeister, der einem Don Quijote gleich seit Jahren vergeblich versucht den Namen des Dorfes zu ändern, kommentiert diesen Fund mit den Worten: „Diese Dokumente beinhalten die Geschichte eines Dorfes ohne Geschichte.“2

Im gleichen Jahr, nämlich 2008, wollte der spanische Untersuchungsrichter Baltasar Garzón die Gräueltaten des Franco-Regimes aufarbeiten lassen und eröffnete ein Verfahren wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit gegen hohe Entscheidungsträger des Franco-Regimes. Über ihn wurde ein Berufsverbot von elf Jahren verhängt.

Crowdfunding

Bei ersten Vorführungen der Rohschnittfassung stieß Die Siedler Francos auf begeistertes Interesse, der Film wurde wegen seiner politischen Brisanz hoch gelobt, alle die ihn gesehen haben, halten ihn für einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der Diktatur Francos, nur leider fehlt den FilmemacherInnen mangels Förderung durch Fernsehsender etc. das Geld für die Post-Produktion.

Finanzielle Zuschüsse erhielten Lucía Palacios und Dietmar Post bisher vom Media Programm Brüssel, dem Kulturfonds der autonomen Region Castilla-la Mancha, der Universität Castilla-La Mancha in Ciudad Real und dem Nipkow Programm in Berlin, der Rest wurde eigenfinanziert.

Um die Summe aufzubringen, die benötigt wird um den Film fertig zu stellen, entschlossen sich die beiden zu einer DIY-Kampagne: auf ihrer Plattform Lanzanos riefen sie Interessierte dazu auf den Film zu unterstützen, gegen Prämien oder ohne. Hilfe bekamen sie dabei von Daniel Richter, dem bekannten deutschen Künstler mit Punkwurzeln, der auch schon drei frühere Filmposter für sie zeichnete. Seine ersten Entwürfe freilich seien schief gegangen, Daniel Richter hätte Francos Gesicht zu weich und konturlos gefunden, erzählt Dietmar Post, er habe keinen Zugang gefunden. Die Idee Franco zu zeichnen, habe er dann schließlich nach mehreren missglückten Versuchen verworfen.

Plakat von Daniel Richter (100 x 140 cm)

Stattdessen nahm sich Daniel Richter Fotos von Franco in verschiedenen Lebensabschnitten vor und fertigte daraus in bester Punkmanier politische Collagen in der Tradition von Heartfield. Die vierteilige Serie von Franco-Collagen ist als Siebdruck in einer limitierten Auflage von jeweils 50 Exemplaren zu einem Preis von 300 Euro auf der Lanzanos Plattform zur Unterstützung des Films erhältlich.

Die ursprüngliche Kampagne endete am 12. Juni, eine zweite Kampagne begann sofort im Anschluss auf der Play Loud! Website von Lucía Palacios und Dietmar Post, Siebdrucke und T-Shirts sind dort weiterhin erhältlich. Und so wird hoffentlich in Kürze genug Geld für die Post-Produktion zusammen kommen, damit Die Siedler Francos gezeigt werden kann, nicht nur in Kinos, sondern auch wie von den FilmemacherInnen geplant in Kulturzentren, Schulen, Universitäten, Nachbarschaftsheimen und Jugendzentren.

Anmerkung

Soundtrack beim Schreiben des Artikels: Non Servium „El Imperio Del Mal”

www.playloud.org

www.lanzanos.com/proyectos/loscolonosdelcaudillo/eng

[1] Zusammen mit Lucía Palacios für ihre gemeinsame Dokumentation The Monks – The Transatlantic Feedback

[2] Quelle des Zitats: www.playloud.org

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