Gesichter der Arbeiterklasse

Am 1. Mai 1886 begann in Chicago (Illinois, USA) ein mehrtägiger, von den Gewerkschaften organisierter Streik, um eine Reduzierung der täglichen Arbeitszeit von zwölf auf acht Stunden durchzusetzen. Die mit diesem und den darauf folgenden Tagen verbundenen Ereignisse begründeten die Tradition der internationalen Arbeiterbewegung und der Gewerkschaften vom 1. Mai als „Kampftag der Arbeiterklasse“. Am 3. Mai wurde ein Polizeimassaker an den friedlichen ArbeiterInnen verübt, als diese auf einer Versammlung bei der Landmaschinenfabrik Mc Cormic zusammengeschossen wurden. Es starben vier ArbeiterInnen und unzählige wurden verletzt. Dies war der Grund für eine große friedliche Protestveranstaltung, der bekannten Großkundgebung des 4. Mai am Haymarket. Dort wurde von unbekannter Hand eine Bombe geworfen, es starb ein Polizist, was den Anarchisten in die Schuhe geschoben wurde. Es gab einen aufwendigen Prozess der US-Klassenjustiz. (Dazu zu empfehlen ist das Buch von Friederike Hausmann, Die deutschen Anarchisten von Chicago oder: Warum Amerika den 1. Mai nicht kennt, Berlin 1998.)

Eineinhalb Jahre später, am 11. 11. 1887, wurden dann die anarchistischen Arbeiter Adolph Fischer, Georg Engel, August Spies und Albert Parsons mit dem Strick hingerichtet. Louis Lingg entzog sich der Hinrichtung mittels einer kleinen Dynamitpatrone und ging in den Freitod.

Nur ein Jahr vorher wurde in Deutschland der Anarchist August Reinsdorf in Haale a.d. Saale hingerichtet, weil er an dem Anschlag auf das Niederwalddenkmal beteiligt war, und Johann Mosts Schrift „Propaganda der Tat“ war weit verbreitet. In Chicago lebten damals viele deutsche EmigrantInnen und waren vor der Politik und dem sozialen Elend entflohen. Der Anarchismus verband die ArbeiterInnen. Sie kämpften für die Einführung des 8-Stundentags und waren die Speerspitze der sozialen Revolution in Amerika.

Im Jahre 2007 jährte sich die als „Justizirrtum“ deklarierte Ermordung der deutschen Anarchisten von Chicago – die in Geschichtsanalen der Arbeiterbewegung eingegangen ist und diese auch stark beeinflusste – zum 120. Mal. (Siehe dazu: HAYMARKET – Die deutschen Anarchisten von Chicago 1887, ein zum 120. Jahrestag erschienener Bildband mit vier Artikeln, nur bei FAU-MAT zu beziehen.)

Die alte Arbeiterbewegung verehrte die Anarchisten von Chicago als „Märtyrer“, wie z.B. auch den Anarchisten Ravachol in Frankreich. Wir wollen sie heute nicht mehr als solche „verehren“, sondern ihnen gedenken, denn sie sind das Gesicht für alle ermordeten ArbeiterInnen der damaligen Arbeitskämpfe gegen die besonders brutale herrschende Klasse in US-Amerika – sie waren Opfer der Klassenjustiz. „Märtyrer“ ist ein Wort, das ihnen gar nicht würdig ist, denn ihr Kampf richtete sich auch gegen die Religion. Mögen religiöse Fanatiker ihre Vorbilder so betiteln, im politischen Bereich ist dies nur schädlich – wie es heutzutage auch das Beispiel Che Guevaras zeigt – und ein kritischer Umgang mit dessen persönlichen Unzulänglichkeiten kaum mehr möglich und unnötig schwierig. (Siehe dazu: Anarchosyndikalistische Flugschriftenreihe, Heft 66, Ein Marxist-Leninist namens Che Guevara, zu finden auf: www.fauamsel. info.ms, zum downloaden.)

Die Arbeiterklasse braucht keine Märtyrer.

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