España en el corazon

Seit der Konsens der nach-franquistischen Eliten, besser nicht an das Thema Bürgerkrieg zu rühren, mehr und mehr in Frage gestellt wird, tobt der „Kampf der Erinnerungen“ in Spanien heftiger denn je. Dabei geht es neben der historischen Aufarbeitung und Interpretation der Ereignisse von 1936- 1939 auch um ganz praktische Dinge: Exhumierung von Massengräbern, Entschädigungen, Rückerstattung von Dokumenten, Demontage franquistischer Denkmäler usw. Diese Art später „Vergangenheitsbewältigung“ zeigt, dass Krieg und Revolution in Spanien keineswegs nur ein Thema für NostalgikerInnen und Geschichtsfreaks sind, sondern jenseits der üblichen Jubiläen und runden Jahrestage aktuell bleiben – wenngleich sie hierzulande natürlich nicht annähernd die Brisanz besitzen wie in Spanien.

„España en el corazón“ lautet der Titel einer Ausstellung zum Thema „Der Spanische Bürgerkrieg: Medien und kulturelles Gedächtnis“, die derzeit und noch bis zum 25. März im Ibero-Amerikanischen Institut Preußischer Kulturbesitz in Berlin läuft. Die Ausstellung wurde bereits vor einem Jahr in der Universitätsbibliothek Osnabrück gezeigt (vgl. DA 179), läuft aber in Berlin in einer beträchtlich erweiterten Form mit teilweise veränderter Schwerpunktsetzung.

Ganz unabhängig von der Ausstellung ist der begleitende Katalog ein eigenständiges Lesebuch, das auch für diejenigen, die in der Materie bereits bewandert sind, eine lohnende Lektüre darstellt. Neben mehr als 40 biographischen Artikeln über (zumeist) wenig bekannte SpanienkämpferInnen bietet das Buch eine breit gestreute Mischung aus zeitgenössischen Texten, Buchauszügen, Briefen, Interviews, Liedern und Gedichten, Kurzdarstellungen zu den unterschiedlichsten Themen (z. B. über „A las barricadas“) sowie knapp 100 Abbildungen (zumeist von Buchcovern und Zeitungen).

Erfreulicherweise wird die „soziale Revolution“ sehr ausführlich gewürdigt. Auch ansonsten häufig vernachlässigte Aspekte kommen zur Sprache, z. B. ist ein vergleichsweise großer Teil den „Mujeres libres“ bzw. den deutschen Anarchosyndikalisten gewidmet. Daneben finden sich schwer zugängliche Texte, etwa von Federica Montseny oder Rudolf Rocker. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die deutsche Erinnerungskultur, wobei der identitätsbildende Umgang mit dem spanischen Bürgerkrieg in der ehemaligen DDR schon aufgrund der Fülle des vorhandenen Materials im Vordergrund steht (und durchaus kritisch betrachtet wird), während die westdeutsche Rezeption (vor allen nach 1968) etwas kurz kommt.

Schade ist nur, dass unter „Medien“ in erster Linie die klassischen Printmedien gemeint sind, die die Darstellung weitgehend dominieren. Film, Rundfunk, Fotografie (und Fotomontage) werden sehr kurz abgehandelt, ein sehr wichtiges visuelles Medium wie die Plakatkunst fehlt nahezu völlig (bzw. taucht nur in einem einleitenden Essay der Kunsthistorikerin Jutta Held auf). Das mag begrenzten Möglichkeiten der AusstellungsmacherInnen geschuldet sein, es bleibt dennoch bedauerlich.

Anmerkungen

Wolfgang Asholt / Rüdiger Reinecke/ Susanne Schlünder(Hg.): España en el corazón Der Spanische Bürgerkrieg: Medien und kulturelles Gedächtnis, Aisthesis Verlag, Bielefeld 2008, 233 S., EUR 19,80, ISBN 978-3-89528-663-6
Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung im Ibero-Amerikanischen Institut Preußischer Kulturbesitz, Potsdamer Str. 37, Berlin, vom 7. Februar bis zum 25. März 2008.

 

Weitere DA-Artikel zum Thema:

• In memoriam Carles Fontseré. Ausgabe 180, März/April 2007
• UPTHEREPUBLIC. Ausgabe 179, Januar/Februar 2007
• Die CNT als Vortrupp des internationalen Anarchosyndikalismus. Ausgabe 179, Januar/Februar 2007
• Die Verdrängung der sozialen Revolution. Ausgabe 176, Juli/August 2006

 

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