Ins Netz gegangen

Wirklich neu und einzigartig ist die Geschichte leider nicht. Internet- Projekte wie z.B. Nadir.org, SO36.net oder PUK.de werden immer wieder von Anwälten belästigt, vor Gericht gezerrt oder von Repressionsorganen genervt. Im letzten Jahr hat es dann wieder mal FREE! erwischt. Seit 1994 ist FREE! im Internet. Nur ein Jahr später gab es die erste Zensurdrohung. 2008 ist die Lage nicht besser geworden, ganz im Gegenteil. Auch ohne Vorratsdatenspeicherung und den ganzen Überwachungsterror reichen auch schon lange vorhandene Rechtsmittel aus, um Leuten das Leben schwer zu machen und sie von sinnvollen Dingen abzuhalten.

Gesinnungsjustiz

Die kostenpflichtige Abmahnung ist so ein Rechtsmittel. Im Mai 2007 erhielt FREE! eine solche von einem einschlägig bekannten Anwalt aus Uslar (bei Göttingen). Umgehend müsse von einer bei FREE! gehosteten Antifa-Seite ein Name entfernt werden, hieß es. Auf dieser wurde über einen Prozess gegen einen Nazi-Versand berichtet (1). Mit den Inhalten der Websites hat FREE! jedoch nichts zu tun. FREE! stellt nur den Webspace zur Verfügung. Die Gruppen betreiben ihre Seiten eigenverantwortlich. Das Problem: die Antifa-Seite hatte kein einwandfreies Impressum. Deshalb konnte dieser Anwalt die BetreiberInnen der Seite nicht erreichen und hat sich an FREE! gewandt, damit der Name von der Seite entfernt wird. Die betroffene Seite wurde von FREE! auch gesperrt, um nicht als „Mitstörer“ haftbar zu werden (2).

Wer solch eine Abmahnung und die darauf folgende einstweilige Verfügung erhält, darf dann auch noch den Verfasser dafür bezahlen. Da sind dann plötzlich ein paar hundert Euro futsch. FREE! hat dagegen Widerspruch eingelegt; und das bedeutet: Schreibkram, Recherchen, Fahrt nach Göttingen, Verhandlung, Gerichtskosten usw. Nicht unbedingt die Sachen, mit denen die FREE!-Leute ihre Zeit verbringen möchten. Die ist dank des Internet-Betriebs sowie schon viel zu knapp. Dem Widerspruch hat das Gericht nicht stattgegeben. Jetzt war die Frage: „Widerspruch? Hauptverhandlung? Oder doch lieber nicht?“. Zeitmangel, ein äußerst ungewisser Ausgang und das finanzielle Risiko (nochmal ca. 2.500 Euro) führten zu der Entscheidung, „kein weiteres Verfahren“ anzustrengen. Auch wenn es bitter ist, kleinbeizugeben und Kohle an diesen Anwalt zu zahlen, können die wenigen Kräfte sicher besser eingesetzt werden, als Zeit und Geld in Rechtsstreitigkeiten mit Faschisten zu versenken.

Erhöhter Druck

Das Problem bleibt also weiter ungelöst. Wer in diesem Land eine Website betreibt, sollte tunlichst darauf achten, einige rechtliche Anforderungen irgendwie formal einzuhalten. Zum Beispiel beim Impressum, dem Disclaimer oder dem Copyright, zum Beispiel bei Stadtplänen. Wer sich da nicht dran hält, muss früher oder später mit einer Abmahnung oder ähnlichem rechnen. Die kann von einem politischen Gegner kommen, der einen behindern möchte, oder auch von jemandem, der einfach nur abkassiert. Ein Ausweg sind Server in Ländern außerhalb der EU. Gegen Seiten, die dort gehostet werden, ist das deutsche Rechtssystem relativ machtlos. Das mag für Einige eine gangbare Lösung sein. Dem Ansatz des FREE!-Projekts – selbstverwaltet selbermachen – widerspricht das gründlich. Wie lange das aber überhaupt noch geht ist fraglich. Wie umgehen mit der Vorratsdatenspeicherung? FREE! und die anderen Vernetzungsprojekte müssen diese Frage bald beantworten. Ab Januar 2009 sind alle deutschen Provider unter Strafe dazu verpflichtet, die Verbindungsdaten der UserInnen zu speichern und auf Zuruf an die interessierten staatlichen Stellen weiterzugeben.

Aber vielleicht machen sich die Netz- AktivistInnen in Sachen Datenschutz zu viele Gedanken. Den meisten Internet- UserInnen scheint es egal zu sein, was z.B. mit ihren Mails passiert. Mails verschlüsseln? Anonym surfen? Wer hat schon Bock, sich um so was zu kümmern? Ihr Internet benutzenden LeserInnen, mal ehrlich: Wer hat keine Kostnix-Mailadresse à la gmx oder web.de? Und dort werden eure kompletten Mails, nicht nur die Verbindungsdaten, schon mindestens seit 2005 auf Zuruf der „berechtigten Stellen“ an diese weitergegeben (TKÜV). Solche Abfragen staatlicher Stellen sind real. Jeden Tag.

Anmerkungen

(1) „Prozess gegen Front Records eingestellt“; http://www.turnitdown.de/ 699.html

(2) Die Antifas haben den Text mittlerweile auf einem ausländischen Server veröffentlicht; siehe „Einstellung des Verfahrens gegen Thomas Persdorf“; http://gamma.antifa.net/gamma/gamma177_web.pdf

 

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