Kolumne Durruti

Es war einmal eine Arbeitslose aus Quetzdölsdorf bei Bitterfeld, die einen 75-jährigen Radler mit dem Auto jagte, ihn schließlich umfuhr und eventuell noch vorhandenes Restleben mit einem Beil aus ihrem Kofferraum entfernte. Auch war einmal ein 58-jähriger Arbeitsloser aus Solling in Niedersachsen, der auf einen Hochsitz im Wald stieg, wo er verhungerte. Und dann waren da noch ein nicht mehr ganz grünes Fernsehfrüchtchen, genannt Kiwi, das gefeuert wurde, weil es für eine Diät geworben hatte, und ein Berliner Finanzsenator, namens Sarrazin, der für eine Diät warb, ohne dafür gefeuert zu werden.

Die arbeitslose Bitterfelderin war so lange von erfolgloser Bewerbung zu erfolgloser Bewerbung gefahren, dass es zu einer Fehlschaltung in ihrem Gehirn kam, woraufhin sie den radelnden Rentner plötzlich für einen Konkurrenten hielt. Den arbeitslosen Niedersachsen hatte man vor die Wahl zwischen Hartz IV und Frühverrentung auf Sozialhilfeniveau gestellt, bevor er sich zur finalen Nulldiät entschloss. Kiwis bevorzugte Diät ist weniger radikal, dafür aber auch teurer und heißt übersetzt „Waagen-Gucker“. Ihren Job verlor sie, weil die Moderatorin sich dafür bezahlen ließ, diese Diät in einer Talkshow zu lobpreisen.

Herrn Sarrazins Diät heißt „Prima Leben Und Sparen“, weil sie Hartz-IV-EmpfängerInnen die günstige Produktpalette des Plus-Einkaufsmarktes anpreist. Aber weil der Senator zu blöd war, sich für diese Werbung bezahlen zu lassen, durfte er seinen Job behalten. Trotzdem wurde viel an ihm herumkritisiert. Ernährungsberater bemängelten an seiner Diät zu hohe Fettanteile und geringe Flüssigkeitsversorgung. Die Gebrüder Aldi wiesen darauf hin, dass das alles noch viel günstiger zu machen sei. Rauchergemeinschaften und Bierbrauereien erklärten wahrheitsgemäß, dass sogar die Bezugsscheine der Alliierten im flachgebombten Nachkriegsdeutschland, neben Milch, Brot und Zucker, eine Grundversorgung mit Nikotin und Alkohol vorsahen. Und zu guter Letzt beschwerte sich auch noch eine breite Front von Kneipiers, Kinobetreibern, Telekommunikationsunternehmen, Stromanbietern, Elektrofachmärkten und sonstigen Kaufhäusern, bis hin zum Einzelhandel aller Art, was dem Finanzsenator denn einfiele, die Leute zu solch hemmungsloser Völlerei anzustiften. Für den Fall, dass die Hartz- IV-EmpfängerInnen, die ja immerhin fast ein Viertel der Berliner Bevölkerung stellen, ab sofort tatsächlich 128 Euro ihres Regelsatzes für so etwas profanes wie Nahrung ausgeben sollten, forderten sie vorsorglich schon mal einen milliardenschweren Ausgleich ihrer Umsatzeinbußen vom Senat.

Die einzige, die sich nicht beschwerte, war die Büroleiterin des Finanzsenators, die diese Diät eine Woche lang testen musste, da ihr Chef unmöglich das anstehende Gala- Diner bei Post-Chef Zumwinkel absagen konnte. Um trotzdem noch ein paar Zigaretten rauchen zu können, hatte die gute Frau heimlich auf die vorgesehenen Fleischanteile (1 Bratwurst, 100 g Hack, 1 Stück Leberkäse, 1 Scheibe Schinken, 1 Scheibe Bierschinken, Suppenfleisch) verzichtet und war zu der überraschenden Erkenntnis gelangt, dass sie nun viel schneller abnahm, als mit Kiwis Waagen-Gucker-Diät, mit der sie sich schon länger herumgequält hatte. Aber im gewaltigen Chor der Kritiker fiel diese eine positive Stimme natürlich nicht ins Gewicht.

Der arme Finanzsenator muss seither einen Maulkorb seines Bürgermeisters tragen, den er nur abnehmen darf, um seinem Körper regelmäßig Hummer, Kaviar und Champagner zuzuführen, oder was es eben so braucht, um einen Politiker auf Betriebstemperatur zu halten. Dabei hatte er doch nur den Menschen da draußen zurufen wollen, dass es gar nicht nötig ist, einen Rentner zu zerhacken, um Knastrationen zu bekommen. Und dass man nicht verhungern muss, wenn man Hunger gut verwaltet.

Hoffentlich hat wenigstens Kiwi ihn gehört. Nicht, dass da noch hässliche Schlagzeilen kommen! Andererseits: „Senator zerhackt! Kiwi: Ich hatte Hunger!“ macht schon was her.

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