Inhaftierte Frauen: Gefangen im Knast – und draußen

Frauen in der Gefangenengewerkschaft

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2014, vor bald drei Jahren, gründete eine Gruppe widerständiger Häftlinge in der JVA Tegel die Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO). Sie ist eine Basisgewerkschaft der inhaftierten ArbeiterInnen und hat den Anspruch, alle Häftlinge auf der Grundlage gemeinsamer klassenkämpferischer Forderungen zu einen: Deutsche und MigrantInnen, Frauen und Männer, Lang- und KurzstraferInnen, Strafhäftlinge und Sicherheitsverwahrte setzen sich gemeinsam für den Mindestlohn hinter Gittern, den Einbezug in die Renten-, Kranken- und Sozialversicherung, ein Ende der Arbeitspflicht und volle Gewerkschaftsfreiheit hinter Gittern ein.

2015 wurde die GG/BO auch in Thüringen und Sachsen aufgebaut. Erst bildeten sich die Sektionen in den Knästen, dann die Soligruppen in Jena und Leipzig. Ende 2016 taten sich dann die Frauen in der JVA Chemnitz zusammen. Die Justizvollzugsanstalt (JVA) Chemnitz ist der einzige Frauenknast der Region. Hier werden Frauen aus Sachsen und Thüringen festgehalten und müssen unter extrem harten Bedingungen zwangsarbeiten. Es hat zwischendurch auch in der Frauen-JVA in Willich II in Nordrhein-Westfalen eine Sektion gegeben, es ist aber unklar, ob die heute noch besteht. Zudem gibt es in verschiedenen geschlossenen wie offenen Frauen-Haftanstalten in Berlin Kontakte zu Gefangenen.

Nach einem längeren Briefwechsel mit der Sprecherin der GG/BO in der JVA Chemnitz, Nancy Rheinländer, hat die GG/BO-Soligruppe Jena zum 8. März eine Demo zum Frauenknast organisiert. Im Aufruf thematisieren sie das Zwangsarbeitsregime in der JVA Chemnitz, die krassen Gewalterfahrungen, die die Frauen vor ihrer Inhaftierung gemacht haben, sowie die Situation von Trans-Menschen in Haft. Im Aufruf wird weiterhin auf den Zusammenhang von Klassenlage, Inhaftierung und Sexismus eingegangen. Gerade Frauen aus der sogenannten Unterschicht sind ökonomisch von ihren Männern abhängig. Die völlige Entmündung und soziale Isolierung während der Haftzeit vergrößert diese Abhängigkeit zusätzlich. Nach ihrer Entlasssung sind sie oft gezwungen, zu ihren gewalttätigen Männern zurückzukehren und so der sexualisierten Gewalt in besonderem Maße ausgesetzt. Ziel der Demo ist, auf die Organisierungsbemühungen der Frauen in Chemnitz aufmerksam zu machen.

Der 8. März und die proletarische Frauenbewegung

Die GG/BO beteiligt sich so an den in den letzten Jahren wieder zunehmenden Mobilisierungen zum Frauenkampftag. Historisch entstand der 8. März als internationaler Frauentag aus dem sozialistischen Flügel der proletarischen Frauenbewegung heraus. 1910 entschied sich die Zweite Internationalistische Sozialistische Frauenkonferenz auf Vorschlag von Luise Zietz und Clara Zetkin zur Einführung eines Internationalen Frauentags. Die Idee war von der Sozialistischen Partei Amerikas abgeschaut, die schon 1909 einen Kampftag für das Frauenwahlrecht durchgeführt hatte. So demonstrierten ab 1911 zum ersten Mal international Frauen für das Frauenwahlrecht; später kamen weitere politische Forderungen wie die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs und ökonomische Forderungen hinzu. Wie der 1. Mai wurde auch der 8. März nach dem Zweiten Weltkrieg von den staatskapitalistischen Diktaturen des Ostblocks und später auch von den demokratischen Regimen des Westens institutionalisiert.

Gerade aus autonomer und basisgewerkschaftlicher Perspektive lohnt sich eine Beschäftigung mit der anarchistischen und (anarcho)syndikalistischen Strömung innerhalb der damaligen Frauenbewegung. Anarchistinnen wie Emma Goldman und Syndikalistinnen wie Milly Witkop kritisierten schon lange vor dem Staatskommunismus die autoritären sozialistischen Parteien und ihre Forderungen nach Integration der Frauen in die Staatsapparate. Zudem verbanden sie die verschiedenen feministischen Themen wie freie Liebe, Homosexualität und sexuelle Aufklärung auf der einen Seite und Hausarbeit, Frauenarbeit, die Rolle der Frauen in der Gewerkschaft und im politischen Kampf auf der anderen Seite.

Mit ihrem Aufruf knüpft die Gefangenen-Gewerkschaft an beide Traditionen an – mit der Wahl des fest eingebürgerten Datums an die sozialistische und über die Programmatik an die anarchistische Frauenbewegung.

Unterstützung des inhaftierten Proletariats

Der Kapitalismus basiert auf Spaltung der ArbeiterInnenklasse und der Abwertung gewisser Gruppen: Frauen, MigrantInnen, Arbeitslose, Jugendliche und eben auch Gefangene. Die inhaftierten ArbeiterInnen gehören in dem Kontext zu dem am meisten abgewerteten Teil des Proletariats in der BRD. In den meisten Bundesländern leisten sie Zwangsarbeit zu Löhnen von 8 bis 16 Euro – am Tag, nicht pro Stunde. Zudem sind sie aus den Sozialversicherungssystemen ausgeschlossen und die Gefangenen-Gewerkschaft ist bis heute nicht als Gewerkschaft anerkannt. Die seit den 70ern laufende Offensive von Staat und Kapital gegen die Interessen der ArbeiterInnen über die Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse (Minijobs, Teilzeit, Befristung etc.), Abbau des Sozialstaats (Rente ab 67, Hartz IV, Zuzahlungen zur Krankenkasse) und erste Schritte in Richtung verallgemeinerte Zwangsarbeit (1€-Jobs für Arbeitslose und 80-Cent-Jobs für Flüchtlinge) wird am aggressivsten bei den benachteiligten Gruppen vorangetrieben. Entsprechend sind ihre Kämpfe um verbesserte Arbeitsverhältnisse, mehr Lohn, Sozialversicherung und Würde für uns alle wichtig.

Unglücklicherweise haben sich zwar bundesweit um die 1000 Häftlinge der Gefangenen-Gewerkschaft angeschlossen, hat sich sogar ein Ableger in Österreich gebildet und kämpft der GG/BO-Aktivist Georg Huß gerade in der französischen Haftanstalt in Mulhouse mit einem Langzeithungerstreik für Verbesserungen. Es gibt aber kaum Unterstützung von draußen. Außer dem GG/BO-Kern in Berlin und den stablien Soligruppen in Jena, Leipzig und neuerdings Wien gibt es immer noch keine langlebigen und stabilen Unterstützungsstrukturen. Hier müssen sich anarchistische und autonome Bewegung sowie Antifa-Szene in der BRD an die eigene Nase fassen. Das Gerede von praktischen sozialen Kämpfen, der Notwendigkeit des Klassenkampfs und dem Zusammenkommen mit ArbeiterInnen aus anderen Szenen ist groß. Aber wenn da ein solcher Kampf vor der Tür steht, sieht es außerhalb eines kleinen AktivistInnenkreises um die praktische Solidarität schlecht aus.

Die Demo der Gefangenen-Gewerkschaft zum 8. März ist eine Möglichkeit, dieses Missverhältnis anzugehen. Zudem es sich nicht wie so oft bei Szene-Demos um eine symbolische Demo mit abstrakten Inhalten handelt, sondern eine Aktion, um die Frauen in der JVA Chemnitz zu erreichen und ihnen Mut zu machen. So schreibt eine inhaftierte Kollegin im Aufruf zur Demo: „Wenn wir uns hier zusammentun zwecks Arbeitsbedigungen und allgemeine Haftverbesserung, sind da echt viele dabei, aber ich denke, das sind zwei ganz gravierende Baustellen. Persönlich sehe ich deine Idee positiv, weil man ja gerade, wenn man sieht „hey, da gehen welche extra auf die Straße, die sich für solche Dinge stark machen“ man vielleicht auch Mut schöpft und sagt „Ich will das nicht nochmal!““

 

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