Aufruhr im Cineasten-Tempel

Auch die Belegschaft der renommierten französischen Kinoinstitution Cinémathèque Française in Paris beteiligte sich im Oktober an den Streiks gegen die Rentenreform (siehe Seite 9). Auf Initiative eines Gewerkschaftsbündnisses aus CNT-F und CGT wurde der Forderungskatalog allerdings um einen Punkt erweitert: Die sofortige Wiedereinstellung der CNT-Delegierten Valérie. Die Entlassung Valéries ist der Höhepunkt einer gewerkschaftsfeindlichen Politik der Cinémathèque-Geschäftsführung in den vergangenen Jahren. Seit 2003 wurden bereits drei aktive CNT-Mitglieder aus dem Betrieb gedrängt. Allein in den letzten Monaten wurden unter fadenscheinigen Begründungen Sanktionen gegen vier GewerkschafterInnen ausgesprochen – gegen drei von der CNT und eine von der CGT.

In dem „Gedächtnis des Kinos“, wie das Kinoarchiv mit angegliederten Kinosälen und Ausstellungsräumen auch genannt wird, arbeiten mehr als 1.000 Menschen. Die anarchosyndikalistische CNT ist hier die stärkste Gewerkschaft und konnte bei den letzten Wahlen zum Betriebsausschuss die meisten Sitze erringen (zehn von 22). Bei der Geschäftsführung ist die kämpferische Gewerkschaft allerdings weniger beliebt. Seit Jahren leistet die CNT Widerstand gegen Umstrukturierungspläne und verteidigt soziale Errungenschaften wie die betriebliche Zusatzkrankenversicherung.

„Die Direktion“, schreibt die CNT-Betriebsgruppe, „hat sich entschieden, eine nach ihrem Geschmack viel zu umtriebige Gewerkschaft zu beseitigen, die nichts weiter als ihre Arbeit macht: die Beschäftigten zu verteidigen und auf die Einhaltung der betrieblichen Vereinbarungen zu drängen.“ Trotz mehrerer Kundgebungen und breiter Proteste stellte sich die Geschäftsführung bisher stumm. Selbst zu den Gründen der Entlassung Valéries, die als Mitglied des Betriebsausschusses eigentlich unter besonderem Schutz steht, verweigert sie die Aussage. Daran änderte auch die Intervention der staatlichen Arbeitsschutzbehörde nichts. Die Gründe seien „vertraulich“.

Für viele besonders enttäuschend ist, dass der Präsident der Cinémathèque – der linke Filmregisseur und Drehbuchautor Costa-Gavras – ebenfalls Gespräche verweigert. Valérie kann derzeit nur auf die KollegInnen der CNT und CGT bauen, die den Widerstand gemeinsam in einem Bündnis organisieren – und auf internationale Solidarität (zu Möglichkeiten der Unterstützung siehe Catwalk). Gerüchten zufolge soll Costa-Gavras demnächst seinen neusten Film in Berlin vorstellen – im Kino Babylon Mitte. Wir werden kommen.

Hansi Oostinga

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