Editorial

Selbstlose Arbeiter, die ihr Leben riskieren, um die Nation zu retten. So präsentierten uns die Medien die „Fukushima 50“, die in der Atomruine den Super-GAU zu verhindern versuchten. Eine Legende, die schon bald entlarvt wurde. In Wirklichkeit sind es zum Großteil Leiharbeiter, darunter Obdachlose und Erwerbslose, die für 80 bis 120 Euro pro Tag in den sicheren Tod gegangen sind. Diese Praxis ist nicht neu. Schon vor der Neuauflage von Tschernobyl wurden die Marginalisierten der japanischen Gesellschaft bei Drecksarbeiten in den Kraftwerken verheizt, wie Insider berichten. Und es ist nicht nur ein japanisches Phänomen: Auch in Frankreich sind es LeiharbeiterInnen, die für ´nen App’l und ´n Ei lebensbedrohliche Inspektionen in den AKWs durchführen. Kaum zu glauben, dass es woanders anders sein sollte.

Der Kapitalismus, das sollte nicht verwundern, geht über Leichen. Das demonstriert uns nicht nur die Atomindustrie in diesen Tagen. Auch die ganz alltägliche kapitalistische Arbeit sorgt im Jahr für über 2,3 Mio. erloschene Leben. Mit einem Toten alle 15 Sekunden sterben mehr Menschen durch Lohnarbeit als durch Kriege, weiß die UN-Arbeitsorganisation ILO. Es ist gewohnte Normalität, dieses blutige Geschäft, so dass es uns glatt ins Staunen versetzt, wenn doch einmal, wie zuletzt, ein Thyssen-Manager in Haft soll, weil vor drei Jahren in einem italienischen Betrieb 7 Menschen bei einem Brand aufgrund mangelnder Sicherheitstechniken ums Leben gekommen sind. Genug Gründe, dieses Treiben nicht als „normal“ zu begreifen. So gedenken auch 2011 verschiedene FAU-Gewerkschaften der Opfer der Lohnarbeit – am 28. April, dem Workers’ Memorial Day (WMD). Der internationale Kampf- und Gedenktag ist außerhalb von Deutschland vielerorts eine Institution. Hierzulande wurde er im Vorjahr durch die FAU und die ASJ zum ersten Mal begangen.

In Berlin legte man 2010 den Akzent bewusst auf den Leiharbeitsbereich: Arbeitsunfälle und psychische Zerrüttungen sind hier besonders hoch. Die menschenverachtende Tendenz des Kapitals zeigt sich in dieser Form des modernen Sklavenhandels, der keine Grenzen mehr kennt, am deutlichsten. Zunehmend versuchen Leiharbeitsbuden billige Arbeitskräftereservoirs auch international anzuzapfen. Dies zeigt etwa das Beispiel des OTTO-Konzerns aus Holland. Zunehmend geraten ArbeitsmigrantInnen auch in Deutschland in perfide Abhängigkeiten, wie der Fall polnischer KollegInnen bei der Firma Grenzland zeigt. Der Europäische Wettbewerbspakt und die sog. Arbeitnehmerfreizügigkeit dürften solche Zustände vermehrt zu Tage treten lassen (siehe Leitartikel). Eben darum haben wir die Arbeitsmigration im Kontext liberalisierter Arbeitsmärkte zu einem Schwerpunktthema dieser Ausgabe gemacht.

Trotz trüber Aussichten gibt es aber immer auch Hoffnung. Wo Menschen sich wehren, werden oftmals neue Wege aufgezeigt. Der Erste Mai, dem eine Geschichte des Kampfes und des Internationalismus zugrunde liegt, bietet sich für Inspirationen zumindest an.

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