Kolumne Durruti

Cowboy Gerd schießt scharf – mit der Fernbedienung

WM 2010. Fefczak putscht sich auf mit Heinrich Heine: „Fatal ist mir das Lumpenpack / das, um die Herzen zu rühren / den Patriotismus trägt zur Schau / mit all seinen Geschwüren“. Holt sich Mut und dunkle Motive bei Arthur Schopenhauer: „Ich lege hier für den Fall meines Todes das Bekenntnis ab, dass ich die deutsche Nation wegen ihrer überschwänglichen Dummheit verachte und mich schäme, ihr anzugehören“. Dann, ohne Sturmhaube und Fluchtauto, nur mit einer gut präparierten Vorrichtung in der Hosentasche, mischt Fefczak sich unter die Infizierten. Den schwarz-rot-goldenen Gesichtsporsche zwischen Lippe und Nase gepappt, benimmt er sich auch so. Das hat er im bezaubernden Kurzfilm Dawn of the Dorks von Eric Esser gelernt, in dem den Deutschen nach Genuss von Gammelfleisch Fanschals und Oberlippenbärte wachsen. Mit unaufhörlichen Fangesängen und durch Ankotzen machen sie ihre Mitmenschen ebenfalls zu nationalen Zombies. Vom Kapitalismus hat Fefczak gelernt, dass vorhandene Dummheit manchmal am besten mit dem Vortäuschen von noch mehr Dummheit bekämpft werden kann. Oder so.

Im Mediamarkt hat er ganz legal eine dieser Fernbedienungen gekauft, die sich für alle möglichen TV-Geräte verwenden lässt. Sie ahnen, was kommt. Er setzt sich vor ein beliebiges Lokal, bestellt ein Kaltgetränk und reicht unverdächtig Walkers-Chips der Sorte „German-Bratwurst“ an umhergrapschende Wurstfinger. Dabei ist er sich sicher, sein Umfeld gleich lässig und gemein in tumultartige Konfusion zu versetzen. Schon bei der zweiten Ecke, als der Ball gefährlich scharf in den Strafraum fliegt, nutzt er die spielverderbende Installation in seiner Tasche. Klick, und schon ist es aus mit Khedira und Podolski, der große Bildschirm pechschwarz. Die Aktion „Deutschland abschalten“ auf Sendung.

Das Maulen steigert sich von „Ey, was ist denn jetzt los“ hin zu „Du Hurentochter, mach‘ das Ding wieder an“. Zunächst schnallt der Wirt das noch schnell. Nach längerem Gewurschtel am Kabel drückt jemand erfolgreich auf den Anschalter. Nicht sofort, sondern erst während eines gut aufgezogenen Angriffs wiederholt er die Störung. Und als dann einige ihr technisches Laienwissen zum Besten geben, fliegt das erste Bier. Plötzlich schaltet sich, haha, der Fernseher aber wie von Geisterhand selbst wieder an. „Geht mal aus dem Bild, ihr Opfer“, werden die hektischen Retter der Nation, die noch an den Knöpfen des Geräts hocken, nun angemacht.

Als wieder alle sitzen, schaltet Fefczak einen Gang höher. Er wählt den Sendersuchlauf, im langsamen Modus. Das kann dauern. Besonders, wenn man wieder andere Funktion aktiviert, gerade wenn der Wirt herausfindet, wie er auf „Abbrechen“ klickt.

„So langsam wird es Zeit für Freibier“, versucht ein Gast seine Schicksalsgenossen zur Plünderung aufzurufen. Einer sagt: „Alter, wenn du Deutschland bist, dann kriegst du das jetzt hier mal klar“. Dann ist die Tür auf für so etwas wie: „Döner machen ist was anderes als Fernseher anmachen, du Molukke, dreckiger Fidschi, du.“ So macht Partyotismus wohl erst richtig Freude. Das „Deutschland, Deutschland“, welches einige Cafébesucher mutzusprechend anstimmen, immer wenn Fefczak den Bildschirm streiken lässt, hat fast schon etwas von Dada.

Mit diebischer Freude leert Fefczak genüsslich den Kaffee. Die Show fühlt sich an wie ein kühlendes Vollbad in gelungener Hinterlist und Miesmacherei. Laut lachen ist später sicherer. Zuhause im Keller, wie es sich für linke Spielverderber geziemt. Davor erst einmal ab in die durch Fußball von der Nation temporär befreite Zone namens Park.

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