Wer das Brot bezahlt und wer den Abwasch macht

Das traditionelle Bild der Geschlechterrollen ist einfach und klar: Der Ehemann geht einem festen Beschäftigungsverhältnis mit entsprechenden Sozialleistungen nach, die Ehefrau und Mutter leistet im Gegenzug die unbezahlte Hausarbeit und kümmert sich um die Kinder. Auch wenn dieses „männliche Ernährermodell“ schon lange nicht mehr die einzige Möglichkeit ist, Paarbeziehungen und Elternschaft zu gestalten, so bestimmt es in vielen Bereichen noch immer die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Auch in der Praxis ist es häufig anzutreffen. In Westdeutschland folgt fast die Hälfte aller Paare mit Kindern dem traditionellen Familienbild. Daneben haben sich aber eine Reihe weiterer Lebensentwürfe etabliert, die ein komplexeres Bild der Verteilung von Broterwerb und Hausarbeit zeigt. Neben dem modifizierten männlichen Ernährermodell, bei dem die Frau durch Teilzeitarbeit dazuverdient, gibt es das Modell der zu gleichen Teilen arbeitenden Erwachsenen. Arbeit meint jedoch auch hier allein die Lohnarbeit und nicht die Reproduktionsarbeit, die unbezahlt geleistet wird. Neuere Untersuchungen haben ergeben, dass es immer mehr Mütter gibt, die durch Lohnarbeit die Existenz der Familie sichern. Frauen werden zunehmend zu Haupternährerinnen des Haushaltes. Die traditionelle Arbeitsteilung der Geschlechter ist gehörig ins Wanken geraten. Nichtsdestotrotz spielt das Geschlecht noch immer eine wesentliche Rolle, wenn es um die Verteilung und Bezahlung von Arbeit geht. Denn noch immer sind es überwiegend Frauen, die unbezahlt Erziehungs- und Hausarbeit leisten und in Teilzeit oder prekären Jobs arbeiten, die ihnen keine ausreichenden eigenen Ansprüche auf soziale Leistungen sichern.

Kinder, Küche, Kirche

Für die Gesetzgebung in der Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg stand das männliche Ernährermodell Pate. Die Erfahrungen, die Frauen während des zweiten Weltkrieges in der Arbeitswelt gemacht hatten, wurden nicht zu einem Impuls für einen Wandel in den Geschlechterrollen. Eher sah man sie als eine Ausnahme von der Regel, zu der es zurückzukehren galt. So nahm die Mehrheit der Frauen in der Nachkriegszeit wieder ihre vermeintlich „natürlichen“ Aufgaben als Hausfrauen und Mütter wahr. Ökonomisch war ihre Existenz damit von den Ehemännern abhängig. Ansprüche auf Sozialversicherung, wie Kranken- oder Rentenversicherung, leiteten sich von den Ansprüchen der Ehepartner ab und standen nicht der Ehefrau individuell zu. Mit dem noch heute praktizierten Ehegattensplitting, d.h. der ungleichen Besteuerung der Ehepartner, bei der das niedrigere Einkommen höher besteuert wird, wurde zudem ein Anreiz für Ehefrauen geschaffen, höchstens in geringem Umfang dazuzuverdienen. Die Steuergesetzgebung und die gesetzlichen Regelungen des Sozialversicherungssystems verstärkten so die persönliche und ökonomische Abhängigkeit verheirateter Frauen. Im Idealbild der Zeit war eigenständige Lohnarbeit verheirateter Frauen nicht vorgesehen und arbeitende Mütter wurden sogar als Rabenmütter verpönt. Bis 1958 brauchten verheiratete Frauen eine schriftliche Einverständniserklärung des Ehemannes, um arbeiten zu dürfen. Aber auch in den 1950er und 1960er Jahren gab es aufgrund des Männermangels bereits viele Mütter, die dem gesellschaftlichen Idealbild nicht entsprachen und notgedrungen arbeiten gingen.

Seit den späten 1960er und dann in den 1970er Jahren sorgten die 68er-Bewegung und vor allem die Frauenbewegung dafür, dass sich das Frauenbild änderte. Statt weiter die vorgesehene Rolle als „Heimchen am Herd“ zu übernehmen, forderten viele Frauen die gleichberechtigte Partizipation in allen Lebensbereichen. Mit der Losung „Das Private ist politisch“ machte die Frauenbewegung deutlich, dass es keineswegs nur persönliche Entscheidungen waren, die über die Verteilung von Erwerbs- und Hausarbeit bestimmten, sondern dass es strukturelle Faktoren waren, die zur Abhängigkeit und Unterordnung von Frauen in einer geschlechterhierarchischen Arbeitsteilung führten. Damit zeigten sie zugleich auf, dass Geschlechterbilder gesellschaftliche Phänomene sind, es also keineswegs „natürliche“ Aufgaben für Frauen und Männer gibt.

Lohnkampf als Feminismus

Der Wandel der Geschlechterbilder führte zusammen mit der zunehmenden Notwendigkeit des Broterwerbs dazu, dass immer mehr Frauen Lohnarbeit nachgehen. Bereits in den 1970er und 1980er Jahren nahm die Anzahl der erwerbstätigen Frauen kontinuierlich zu. Der Trend setzt sich auch in den folgenden Jahrzehnten fort, wobei aber die wenigsten Frauen sozialversicherungspflichtige Vollzeitjobs ohne Befristung haben. Dieses Zuverdienermodell wirkt nur auf den ersten Blick als Chance auf eine gerechtere Verteilung der Hausarbeit und eine größere ökonomische Unabhängigkeit von Frauen. Oft sind sie weit entfernt von dem als Ideal dargestellten partnerschaftlichen Modell, in dem beide gleichberechtigt zur ökonomischen Existenzsicherung und zur Hausarbeit beitragen. Selbst wenn dieses Ideal im Hinblick auf den Lohn erreicht wird, ist damit nicht die gleichberechtigte Verteilung der Erziehungs- und Hausarbeit verbunden. Weiterhin sind es die Frauen, die einen deutlich höheren Anteil an der unbezahlten Familienarbeit übernehmen. Auch gibt es immer mehr Frauen, die mehr oder weniger freiwillig für den Broterwerb in der Familie zuständig geworden sind, beispielsweise weil sie alleinerziehend sind, weil ihr Partner arbeitslos geworden ist oder er weniger verdient als sie. Gerade die Familienernährerinnen sind besonders von den Problemen betroffen, die erwerbstätige Frauen sowieso haben. Anders als die Männer im klassischen Ernährermodell haben sie in der Regel keine Arbeit, die ihnen den problemlosen Unterhalt der Familie ermöglicht. Oftmals haben sie verkürzte Arbeitszeiten, um auch Kindererziehung und Haushalt mit der Arbeit unter einen Hut zu bekommen. Zudem sind viele Familienernährerinnen in Gesundheits- und Sozialberufen tätig, die als klassische Frauenberufe gelten und dementsprechend deutlich geringer entlohnt werden. Der Kampf für gerechte Löhne ist deshalb auch ein Kampf für die Gleichberechtigung.

Meist sind es Frauen, die tagtäglich mit den Folgen der Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern zu kämpfen haben. Aber auch Männern (oder Personen jeglicher anderer Form geschlechtlicher Identität) wird oftmals die Möglichkeit genommen, sich ohne gesellschaftliche und ökonomische Zwänge zu entfalten. Es geht deshalb nicht nur darum, im Kleinen zu entscheiden, wer den Abwasch macht, sondern darum, zu debattieren, wie die gesellschaftlich notwendige Arbeit, zu der selbstverständlich auch die Reproduktionsarbeit gehört, geregelt werden sollte.

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