Kaputt Mundi…?

Eigentlich sagt man ja: „Neapel sehen und sterben.“ Für viele ist und bleibt jedoch Rom das wahre Filetstück einer jeden Italienreise. Armut passt da freilich nicht ins Bild. Und doch hat sich die Situation der in Rom lebenden Menschen gerade unter der Ägide des Bürgermeisters Gianni Alemanno oft drastisch verschlechtert. Besonders hart trifft es dabei Prekäre, Flüchtlinge, Asylsuchende und Roma.

Das Beispiel der Romafamilien zeigt besonders deutlich, was römische Marginalisierung in der Regierungszeit Gianni Alemannos, dem ersten „ex-faschistischen“ Bürgermeister der Geschichte, bedeutet. Die Roma in Italien sind arm, obdachlos und stets von rassistischer Gewalt bedroht. Sie werden ghettoisiert und als „von Natur aus“ anders stigmatisiert. In den dreieinhalb Jahren Amtszeit von Alemanno sind neben den Roma ebenfalls die illegalen Einwanderer, die Obdachlosen, die Prostituierten ins Fadenkreuz behördlicher Verordnungen geraten. Letztere sind gar zum Objekt einer der „berühmtesten“ Verordnungen der Regierung Alemannos geworden, welcher zu Beginn seiner Amtszeit versprach, die Prostitution mittels Geldstrafen in Höhe von mehreren hundert Euro von den Straßen der Hauptstadt zu verbannen. In dieser Verordnung wurde sogar der Kleidung und der Länge der Röcke der Prostituierten Beachtung geschenkt.

Taler, Taler, du mußt wandern

Im Jahr 2008 erklärte die Regierung Berlusconi den Roma-Notstand in einigen Städten Italiens – darunter Rom. Für die Umsetzung seines darauf folgenden „Nomadenplans“ generierte die Regierung ein Budget von 32 Mio. Euro. Dieser Notstand wurde im übrigen am 18. November vom italienischen Staatsrat (Consiglio di Stato) für illegitim erklärt, was bedeutet, dass sämtliche Maßnahmen der letzten zwei Jahre ohne rechtliche Grundlage umgesetzt wurden. Die zur Verfügung stehenden 32 Mio. Euro wurden auf zweierlei Weise ausgegeben: Erstens zur Erweiterung der sogenannten ausgestatteten Camps – mit Metallgittern umzäunte Areale, die üblicherweise außerhalb des städtischen sozialen Netzes liegen und in denen hunderte Romafamilien in Containern von wenigen Quadratmetern wohnen. Diese offiziellen Camps werden 24 Stunden am Tag vom Ordnungsamt bewacht, von Videokameras gefilmt. Niemand kann herein, ohne identifiziert zu werden. Sie liegen so weit außerhalb, dass die Kinder regelmäßig zu spät zur Schule kommen.

Der zweite Teil des Geldes wurde für die „illegalen“ Roma ausgegeben, jene also, die in versteckten Baracken oder Zelten in den Waldstücken an den Rändern viel befahrener Straßen oder in den Parks leben. Der Verein 21 Luglio, der sich mit Kinderrechten befasst, hat in dem Zeitraum von März bis Mai 2011 rund 154 Zwangsräumungen von solchen Unterkünften gezählt, deren einzige Folge die weitere Verschlechterung der sozialen und sanitären Bedingungen der Einwohner war. Heute werden diese informellen Camps in immer unsicheren und versteckteren Zonen gebaut und behindern somit massiv den kontinuierlichen Schulbesuch der Kinder. Weiter berichtet der Verein 21 Luglio, dass die 430 Räumungen der Camps seit Beginn des sogenannten Nomadenplans 2008 Kosten von ca. 4 Mio. Euro verursacht haben.

Wie die Roma leben in Rom ca. sechstausend Menschen ohne festen Wohnsitz. Von diesen sind nur eintausend in den Nachtunterkünften der Stadt oder ehrenamtlichen Einrichtungen – zumeist aus dem Umfeld der Kirche – untergebracht. Die kommunale Politik handelt praktisch gar nicht. Nur im Winter, wenn die nächtlichen Temperaturen zu niedrig werden, ist von der Stadt ein Anti-Kälte-Plan vorgesehen, der die Schlafplätze für Obdachlose aufstockt.

The good, the bad and the ugly

In Rom gibt es jedoch auch ein politisch und ökonomisch sehr aktives Netz von BürgerInnen mit Migrationshintergrund, die sehr gut in die Stadt integriert sind. Sämtliche Bürgermeister haben stets versucht, sich mit ihnen gut zu stellen, da sie ein aktiver Teil der Stadt sind und weil sie – früher oder später – selbst wählen werden. Alemanno bewegt sich besonders vorsichtig in dieser Brandung, da sie ihm nutzt, um das ihm anhaftende Image des Rassisten los zu werden.

Dann gibt es noch ca. 10.000 Flüchtlinge, Vertriebene, Asylsuchende oder einfach Personen in einer harten Lebenslage, einem Sektor dem die Regierung Alemanno weit weniger Respekt widmet als die vorangegangenen. Jenseits der Quantität der Finanzmittel ist das ernsthafte Problem dieser Art von Marginalisierung die Tatsache, dass sie sehr viel Geld für immer gleich bleibende Gruppierungen, die auf dem Gebiet arbeiten, bringt. Es entstehen so nie vernünftige Prozesse, die es erlauben würden, eine Autonomie (vor allem in Bezug auf den Wohnraum) zu erlangen. Da es für die Migranten schwer ist eine feste oder ordentlich bezahlte Arbeit zu finden, wird es beinahe unmöglich eine Wohnung zu finden. Es entstehen spontane Besetzungen, die von den Institutionen mangels alternativer Lösungen toleriert werden. So geschehen am Beispiel des Bahnhofs Ostiense: Eigens für die WM 1990 gebaut und dann verlassen, leben dort eine Vielzahl Asylsuchender aus Afghanistan.

Schreibe einen Kommentar