Sich geringfügen heißt lügen

jung-und-billig-212x300.pngGeringfügige Beschäftigung ist zu einem wichtigen Element der deutschen Beschäftigungspolitik geworden. Viele der seit den Hartz-Reformen „geschaffenen“ Arbeitsplätze sind sog. Mini-Jobs, auch 400-Euro-Jobs genannt. Oftmals handelt es sich um ehemalige Vollzeitstellen, die in mehrere geringfügige Jobs aufgesplittet wurden. Der „Arbeitgeber“ wird so flexibler bei den Anstellungen und spart ordentlich Lohnnebenkosten. Vor allem verlieren die Beschäftigten zunehmend ihre Bindungen zueinander und werden zu Nomaden der Betriebe. Die Organisationsmacht der Lohnabhängigen leidet darunter schwer, das Lohnniveau wird nachhaltig abgesenkt.

Mini-Jobs haben so allerorts Einzug gefunden. Sie sind zentraler Bestandteil des berüchtigten deutschen Niedriglohnsektors. Was dabei gerne übersehen wird, ist, dass gerade geringfügige Beschäftigungen schon lange von einem großen Teil der Jugendlichen ausgeübt werden. Darauf macht nun die Anarchosyndikalistische Jugend (ASJ) Berlin aufmerksam: Mit ihrer Kampagne „Jung und billig“ richtet sie sich gegen die Ausbeutung insbesondere von jungen Menschen in Mini-Jobs. Inspiriert wurde die Berliner Jugendorganisation durch eine ähnliche Kampagne der SUF, der Jugendorganisation der syndikalistischen SAC, in Schweden. Diese richtete sich gegen die sog. Sommer-Jobs, mit denen alljährlich viele junge Menschen vorwiegend in Aushilfstätigkeiten ausgenutzt werden.

„Wir sind uns darüber bewusst, wie schwierig es ist, sich in diesem Bereich zu organisieren“, erklärte ein Aktivist bei der Auftaktveranstaltung zur Kampagne Mitte Dezember in Berlin. „In erster Linie wollen wir zunächst einmal Aufklärung betreiben.“ Die AktivistInnen haben ihre eigenen Erfahrungen in Mini-Jobs gemacht und schildern eine Situation, in der viele junge JobberInnen nicht die geringsten Kenntnisse über ihre Rechte haben und dementsprechend schonungslos ausgenutzt werden.

Dies betrifft freilich nicht allein die Mini-Jobs. Darauf wurde auf der Veranstaltung ebenso aufmerksam gemacht, indem Gäste über Organisierungserfahrungen in prekären Bereichen berichteten. Dabei wurde auch diskutiert, wie sich die Erfahrungen der Kampagne „Keine Arbeit ohne Lohn!“ nutzen lassen – dort ging es vor allem um junge Menschen, etwa Studierende, die sich in Praktika oder durch Probearbeiten ausbeuten lassen. Würden Menschen in prekären Jobs nur ihre bestehenden Rechte wie bezahlten Urlaub und Krankentage kennen und wahrnehmen, wäre bereits einiges an der Situation verbessert, erklärte eine Aktivistin.

Dass die Kampagne über Aufklärungsarbeit hinauskommt, finden die AktivistInnen zwar wünschenswert, aber zunächst zweitrangig. Für sie ist es schon ein wichtiger Schritt, sich mit der Materie besser vertraut zu machen und ihre Praxis zu konkretisieren, wie beim Auftakt erläutert wurde. Die bereits in der Hauptstadt kursierenden Materialien und die Internetseite der Kampagne zeugen zumindest von Mühe und Zielstrebigkeit. Man wird – noch ein wenig lückenhaft, aber dennoch ausführlich – über die Problem- und Rechtslage informiert, findet Erfahrungsberichte und Anregungen zur Problembewältigung, inklusive eines Mustervertrags. Darauf lässt sich zweifellos aufbauen. Und auch dass die Erfahrungen prekärer Organisierung gerade im syndikalistischen Spektrum zunehmen, könnte vielleicht dazu beitragen, dass die Kampagne keine geringfügige bleibt.

Die Kampagnenseite: www.minijob.cc

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