Editorial

Als unmittelbare Konsequenz der stetig steigenden (Über-)Produktivität kann eine ebenfalls steigende Aggressivität der Akkumulationsstrategien gesehen werden. Nach dem Outsourcing kamen die Leiharbeit, der Werkvertrag, die sozialstaatliche Zwangsarbeit, die Minijobs, die Praktika etc. Nun wirkt in den parlamentarischen Industrienationen die zunehmende Inhaltsleere des „sozialen Friedens“ auch auf dessen eigene AkteurInnen zurück. Die Anerkennung der sozialen Bewegungen und der Rückgriff auf ihre Aktionsformen sowohl im Bereich des Parlamentarismus wie auch der etablierten Gewerkschaften sind ein Ausdruck davon: Etwa die Diskussionen innerhalb des DGB über „zivilen Ungehorsam“ oder „Organizing“.

Wir wollen in dieser Ausgabe einen Blick auf das komplexe Problem der modernen Arbeitsorganisation als Herausforderung für basisdemokratische Organisierung und Widerstand werfen. Früh wurden die vielfältigen Möglichkeiten des Internets zur Vernetzung von Bewegungen, zur Kommunikation und hierarchiefreien Organisation gefeiert – mit der Zersplitterung des Produktionsprozesses, der Vereinzelung der Arbeitsabläufe, der Optimierung des Ausbeutungsbetriebes wurde sich lange Zeit nicht auseinandergesetzt. Lest mehr dazu im Leitartikel und im Ressort „Betrieb und Gesellschaft“. Die soziale Ausdifferenzierung einer wie auch immer definierten „ArbeiterInnenklasse“ hingegen ist zwar schon häufiger thematisiert worden, aber ohne größere Konsequenzen für die gewerkschaftliche Organisierung. Interessante Ansätze entwickelte hier die syndikalistische SAC in Schweden (Hintergrund), und auch der zurückliegende Generalstreik in Spanien hat in diesem Bereich ein bemerkenswertes Zeichen gesetzt – und wird nun politisch und medial mit einer Gewaltdebatte überzogen (Globales und Zeitlupe). Andernorts vollziehen sich durchaus interessante sozialpolitische Entwicklungen, zu deren Schwachpunkten aber gerade das Fehlen einer gewerkschaftlichen Perspektive zählen könnte – auch in dieser Ausgabe findet ihr wieder einen Beitrag zu den basisdemokratischen Strömungen innerhalb der kurdischen Bewegung. Vielleicht könnte hier das Zusammenwirken der Occupy-Wall-Street-Bewegung – weitaus progressiver als die Mehrzahl ihrer deutschen Ableger – und der kämpferischen Basisgewerkschaft IWW in New York ein vielversprechendes Beispiel sein.

Wir wünschen euch viel Spaß beim Lesen und ein erfolgreiches Ausprobieren neuer Pfade!

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