Der Staat kümmert sich um dich

Einer der wichtigsten Eckpfeiler eines Staatssystems muss die Indoktrination der Gesellschaft sein, um die Menschen, die in diesem Staat leben, zu seine Existenz und Legitimität möglichst kritiklos hinnehmenden Menschen zu formen – so hohl der hierfür immer wieder bemühte Bezugspunkt „Nation“ auch sein mag. Aus diesem Grund kann kein „Nationalstaat“ der Welt Interesse an einer freiheitlichen Erziehung, Kultur und Bildung haben. Und um dies umzusetzen, beschließt der Staat zu unserem Wohle Gesetze, die unser Bildungs- und Erziehungsleben steuern bzw. regeln sollen. Im bayerischen Kinderbildungs- und -Betreuungsgesetz heißt es im Abschnitt 1, § 1: „Das Leitziel der pädagogischen Bemühungen ist im Sinn der Verfassung der beziehungsfähige, wertorientierte, hilfsbereite, schöpferische Mensch, der sein Leben verantwortlich gestalten und den Anforderungen in Familie, Staat und Gesellschaft gerecht werden kann.“ Das geht dann bei den Basiskompetenzen weiter, bis hin zur christlich-wertorientierten Erziehung, die dann im § 4 nochmals genauer beschrieben wird. In vielen Bundesländern sind diese Ziele ähnlich formuliert. Nach dem Kindergarten bekommt es der/die heranwachsende StaatsbürgerIn mit der Schule und den ihnen eigenen Leitlinien und Gesetzen zu tun. Auch hier legt der Staat wieder Wert auf die Symbiose zwischen Gott und Staat. Die Lerninhalte, wie fast jedeR von uns selbst erlernen durfte, sind auf eine staatstragende „freiheitlich demokratische Grundordnung“ aufgebaut. LehrerInnen, die davon abweichen, haben schon die Konsequenzen z.B. in Form von Berufsverboten spüren müssen.

 


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Innerhalb der BRD kann es z.B. bei Schulpflichtverletzung dazu kommen, dass die Exekutive „zum Wohl des Kindes“ einschreitet. Dass in bestimmten Fällen ein Einschreiten zum Schutz des Menschen notwendig sein kann, steht außer Frage. Aber in einer Gesellschaft, die zum Humanismus erzogen wurde, müsste kein Staat diese Kontrolle übernehmen, sondern übernimmt dies die Gemeinschaft.

Durch all diese Bestimmungen und Gesetze werden die direkt wie indirekt erziehenden Mitmenschen dazu genötigt, im Rahmen des Staates zu erziehen. Das führt dazu, dass die Propagandamaschine des Staates die Geschichte und das Leben so verzerrt, dass der Mensch sich gar nicht mehr vorstellen kann, dass es Gesellschaften in Form von freiheitlichen Zusammenschlüssen gibt und sehr viele gegeben hat. Und da beginnt der Ansatz des Anarchosyndikalismus. Schon von Beginn an sahen die AnarchosyndikalistInnen Arbeit, Kultur und Bildung untrennbar miteinander vereint. Der Überwindung des kapitalistischen Systems wurde die gleiche Bedeutung zugemessen wie der Kultur und Bildung. Gerade AnarchosyndikalistInnen schufen daher eigene Zeitungs- und Buchverlage, bauten eigene Bildungseinrichtungen auf und waren an Bildungs- und Kulturprozessen ständig interessiert. Die anarchosyndikalistischen Bildungsstätten sollten hier nur einen Rahmen ermöglichen, wo sich die Menschen frei bilden und entwickeln konnten. Im deutschsprachigen Raum bewerkstelligte dies die FAUD sehr gut. Auch wenn man auf die bekannteste anarchistische Sozialisation, die der spanischen Revolution, zurückblickt, kommt man nicht umhin, die Bildungsangebote der syndikalistischen Organisationen zu betrachten. Hier wurde sehr wohl erkannt, dass eine Revolution, die vom Volke getragen werden soll und nicht durch die Agitation des Staates und seiner Handlanger kaputt gemacht werden soll, nur durch den Aufbau einer eigenen Bildungs- und Lernstruktur bewerkstelligt werden kann. Und dies dauerte in Spanien über 40 Jahre. Das bezeugt auch ein Zitat der CNT von 1936: „Den materiellen Reichtum und die Kultur zurückzuerstatten, das sind die wesentlichen Ziele unserer Revolution. Wie das geschehen soll? Dadurch, dass im materiellen Bereich der Kapitalismus enteignet wird und im moralischen Bereich die Kultur denen vermittelt wird, die sie entbehren.“ Erst die komplette Zerschlagung der spanischen Republik und des anarchosyndikalistischen Bildungssystems unter Franco konnte die kirchlichen sowie staatlichen Strukturen wieder herstellen. Daher ist eine der wichtigsten Säulen einer „sozialen Revolution“ der Aufbau eines Bildungssystems, ohne die keine freiheitliche Gesellschaft aufgebaut werden kann.

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