Editorial

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Liebe Lesende,


in diesen Tagen wird mit dem Arbeitskampf zwischen Deutscher Bahn und GDL wieder ein Stück Streikgeschichte geschrieben. Ebenso geht es um die Zukunft des Streikrechts. Schon im Koalitionsvertrag war vereinbart wurden, „den Koalitions- und Tarifpluralismus in geordnete Bahnen zu lenken“ und „den Grundsatz der Tarifeinheit nach dem betriebsbezogenen Mehrheitsprinzip“ durch Gesetz zu herbeizuführen. Es soll dann darauf ankommen, welche Gewerkschaft die meisten Mitglieder hat im Betrieb. Wie genau das aussehen soll und ob so ein Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht standhalten würde, ist noch ungewiss. Eines ist dennoch sicher: Es geht um die Stimmung, die aktuell verbreitet wird. Deswegen unterstützen wir auch die Streikzeitung, die beigelegt sein müsste. Verschiedene gewerkschaftliche und politische Akteure solidarisieren sich hierin mit dem Streik der GDL und sprechen sich klar gegen einen Eingriff in die Koalitionsfreiheit aus. Auch wir als FAU könnten von Gesetzesänderungen betroffen sein.


Während der Streik das tut wozu er da ist, nämlich seine Wirkung entfalten, wird nun die Politik gerufen. Bereitschaft den Bossen beizuspringen bekundete auch gleich Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles von der SPD, der Sammelbewegung zur Proletarier-Demütigung laut Max Uthoff, Kabarettist, in Neues aus der Anstalt.


 


In der vorliegenden Ausgabe haben wir den Blick aber auch etwas in die soziale Bewegung außerhalb von gewerkschaftlichen Kernhandlungsfeldern schweifen lassen. Es gibt nach wie vor reichlich Entwürfe, wie wirtschaftliche sowie soziale Prozesse anderes funktionieren könnten. Nach Alternativbewegung und Solidarischer Ökonomie geistert seit gut 10 Jahren der Begriff „Gemeinwohl-Ökonomie“ durch die Lande, geprägt durch das österreichische Attac-Mitglied Christian Felber, welcher auf Vortragsreisen sein Konzept als Alternative zu kapitalistischer Marktwirtschaft und zentraler Planwirtschaft propagiert. Im Kern geht es darum, Unternehmen zu finden, welche eine Bilanzierung nach Gemeinwohl-Werten vollziehen. Später sollen die Unternehmen staatlich unterstützt und bevorzugt werden. Von traditionellen gewerkschaftlichen Kämpfen ist gar nicht mehr die Rede, es geht jetzt um „ein Wirtschaftsmodell mit Zukunft“. Es wirkt auch ein bisschen so als soll es von gesellschaftlichen Verteilungskämpfen ablenken und wir lieber auf den guten Willen der Entscheidungsträger vertrauen. Es wundert gar nicht, dass Felber im Pool der Referentenagentur von Bertelsmann zu finden ist. Mittlerweile taucht die „Entwicklung eines Modells zur Förderung der Gemeinwohlökonomie“ im Arbeitsübereinkommen der Salzburger Landesregierung auf – eine Koalition aus ÖVP, Grünen und dem wirtschaftsliberalen sowie populistischen Team Stronach. Wir dürfen gespannt sein.


 


Trotz allem: Nicht nur Skepsis ist angebracht bei Experimenten. Erfahrungen sind wichtig, um eine andere Gesellschaft überhaupt zu denken.


 


Einige neue Denkansätze beim Lesen der Ausgabe wünscht


Christian Horn


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