Einheitlich für Autonomie

Das Bild hat etwas Absurdes: Auf dem Weißekreuzplatz in Hannover campen bereits seit Mai sudanesische Flüchtlinge. Ihre Transparente hängen zwischen Fahnenstangen, von denen eine blonde Frau ihre weißen Zähne bleckt und zum „Tag der deutschen Einheit“ einlädt.

Dieses Bild präsentiert sich den BesucherInnen der Konferenz „Gemeinsam Strategien entwickeln – Erneuerung durch Streik II“, zu der neben der Rosa Luxemburg Stiftung zahlreiche Einzelgewerkschaften in Hannover geladen hatten. 700 Gäste debattierten drei Tage lang das aktuelle Streikgeschehen, Streikgeschichte, vor allem aber Streikstrategien.

Flüchtlinge und Gewerkschaftspolitik

Während es auf der letzten Streikkonferenz in Stuttgart 2013 vor allem der Streik bei Neupack gewesen war, der Standing Ovations geerntet hatte, waren es dieses Mal die Flüchtlinge: Die SudanesInnen luden auf ihr Camp, außerdem sprachen auf der Eröffnung Vertreter der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“. Peter Bremme (ver.di Hamburg) rief dazu auf, Flüchtlinge kollektiv in die Gewerkschaften aufzunehmen. Kollektive Empörung löste die polizeiliche Räumung des Berliner Gewerkschaftshauses aus, in dem sich seit einer Woche Flüchtlinge aufgehalten hatten.

Streitpunkt Tarifautonomie

Zahlreiche TeilnehmerInnen unterzeichneten entsprechend die spontane Petition „Nicht in unserem Namen – Refugees welcome!“. Die zweite Resolution, die sogar vom gesamten Kongress per Akklamation befürwortet wurde, betrifft das Vorhaben einer gesetzlichen Tarifeinheit durch die Große Koalition. Einstimmig wird dieses Vorhaben als Eingriff in das Streikrecht abgelehnt. Die Resolution positioniert sich zwar durchaus für eine Tarifeinheit, will diese aber durch gewerkschaftliche Praxis herstellen.

Für die anwesenden Gäste der FAU-Syndikate Bremen, Hannover und Mannheim war diese Resolution daher durchaus problematisch, da die FAU die grundrechtlich garantierte Koalitionsfreiheit auch als Bekenntnis zu einer Gewerkschaftspluralität begreift. Die angestrebte „Einheit“ ist auch zwischengewerkschaftlich möglich. Da die Resolution letztlich nur unter der Grundaussage „Hände weg vom Streikrecht!“ abgestimmt wurde, stimmten auch die anwesenden FAU-Mitglieder zu.

Practice what you preach

Der gesamte Tagungsablauf könnte dazu verleiten, die Gewerkschaften des DGB als radikaler wahrzunehmen, als sie wirklich sind. Selbst die Eröffnungsrede des IG Metall-Vorstands Hans Jürgen Urban atmete einen militanten Geist gegen Leiharbeit, Freihandelsverträge und für eine Solidarität in der Krise. Die Gewerkschaften des DGB werden sich hier allerdings daran messen lassen müssen, wie sie diese Verlautbarungen in die Tat umsetzen.

Es wird auch in naher Zukunft keine politischen Streiks gegen Austeritätspolitik und Freihandel geben. Die Konferenz „Gemeinsam Strategien entwickeln“ wird aber ermöglichen, dass diese Themen wahrscheinlich in den nächsten Tarifauseinandersetzungen eine Rolle spielen. In diesem Sinne können Streiks das erfüllen, was die geistige Schirmherrin der Konferenz, Rosa Luxemburg, einmal formulierte: „Der ökonomische Kampf ist das Fortleitende von einem politischen Knotenpunkt zum andern, der politische Kampf ist die periodische Befruchtung des Bodens für den ökonomischen Kampf.“

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