Struggle

Großbritannien: Gewerkschaftsführung kriegt kalte Füße

Am 18. Oktober protestierten rund 100.000 Menschen in Glasgow, Belfast und London für Lohnerhöhungen im öffentlichen Dienst, nachdem bereits am 13. und 15. Oktober Beschäftigte des Gesundheitswesens und staatlicher Behörden in den Ausstand getreten waren. Am 21. Oktober hätten die Angestellten der Kommunen nachziehen sollen, doch der Streik wurde durch die Führung der UNISON (der landesweit größten Gewerkschaft im öffentlichen Dienst) kurzfristig abgesagt. Offiziell wurde der Schritt damit begründet, dass nun seitens des Arbeitgebers ein Vorschlag zu Lohnerhöhungen vorliege. Doch zeigten sich weite Teile der UNISON-Basis darüber erzürnt, da der Vorschlag nicht nur eine Lohnerhöhungen von lediglich zwei Prozent innerhalb der nächsten zwei Jahre vorsieht, sondern auch, weil genau jenes – bereits seit längerem vorliegende – „Angebot“ für die Angestellten des öffentlichen Dienstes überhaupt erst der Anlass gewesen war, in den Streik zu treten. Über die tatsächliche Ursache der plötzlichen Kehrtwende der UNISON-Führung kann nur gemutmaßt werden. Ein möglicher Grund: Als eine der oppositionellen Labour-Party nahestehende Gewerkschaft wollte man im Vorfeld der Unterhauswahlen im Frühjahr 2015 Stimmung gegen die regierenden Konservativen machen, doch fürchtet man jetzt mit einer weiteren Eskalation des Konflikts eher der rechtspopulistischen UKIP in die Hände zu spielen.

Brasilien: Teilerfolg für Uni-Angestellte

Nach 116 Tagen endete am 26. September der längste Arbeitskampf in der Geschichte der Universität São Paolo. Rund 17.000 nichtakademische Beschäftigte legten die Arbeit nieder, nachdem der Universitätsdirektor ihre Löhne eingefroren hatte. Schon im Vorfeld war die Stimmung in der Belegschaft angespannt: Die Arbeitsbedingungen wurden zunehmend prekärer, private Firmen gewannen an Einfluss auf dem Campus – zuletzt gab es sogar Berichte darüber, dass das Universitätsklinikum ausgegliedert und möglicherweise privatisiert werden sollte. Während der Dauer des Ausstands griff die Militärpolizei immer wieder Streikposten an, auch wurde ein Mitglied des Streikkommandos 45 Tage lang inhaftiert. Schließlich konnten sich die Streikenden und der Direktor doch einigen: Es gibt nun 5,2 Prozent mehr Lohn, von nachträglichen Repressalien gegen Streikende wird abgesehen. Da die Inflationsrate in Brasilien bei ca. 6 Prozent liegt, kann man allerdings nur von einem Teilerfolg sprechen. Erwähnenswert ist, dass der Konflikt mehr oder minder von den Betroffenen direkt geführt worden war: Neben den basisorientierten Strukturen der im Konflikt aktiven Gewerkschaft SINTUSP wurde ergänzend ein Streikkommando eingerichtet, sodass auch alle Beteiligten ohne Gewerkschaftsmitgliedschaft durch Delegierte Einfluss auf das Geschehen nehmen konnten. Von den 90.000 Studierenden konnte kein nennenswerter Teil mobilisiert werden. Dies hätte den Druck zusätzlich bedeutend verstärken können. Sollten die Pläne von einer Ausgliederung des Universitätskrankenhauses jedoch fortgesetzt werden, scheint die Belegschaft zu einer Neuauflage eines Konflikts bereit zu sein.

Costa Rica: Hafenarbeiter gegen Privatisierung

Im Zuge einer beschlossenen Privatisierung der Häfen Puerto Moín und Puerto Limón durch die niederländische APMT legten die Hafenarbeiter beider Orte am 22. Oktober die Arbeit nieder – der Ausstand sollte ursprünglich unbefristet sein. Verbunden mit einer Besetzung kam es zu Handelseinbußen von bis zu 85 Prozent. Doch noch am selben Abend räumten rund 150 Polizisten die Arbeitsstätten, insgesamt wurden 68 Personen festgenommen. Daraufhin setzten die Hafenbetreiber kurzfristig ausländische Hilfsarbeiter ein, um den Betrieb zu gewährleisten. Die federführende Gewerkschaft JAPDEVA bezeichnete das Vorgehen als „abscheulich“ und kündigte Gegenmaßnahmen an. Aufgrund der Privatisierung befürchten die Dockarbeiter schlechtere Arbeitsbedingungen und den Verlust der bisher in öffentlicher Hand gelegenen Arbeitsplätze – auch spielen umwelttechnische Erwägungen eine Rolle: Am Hafen ist ein neues Riesenterminal geplant, das Schiffe abfertigen soll, die etwa fünfmal so groß sind wie jene, die bisher ein- und auslaufen.

Marokko: Streiks nach anhaltendem Sozialabbau

Nachdem die Regierung in Rabat beschlossen hatte, das Renteneintrittsalter von 60 auf 62 – mittelfristig sogar auf 65 – Jahre anzuheben, traten am 30. September Angestellte des öffentlichen Diensts in den Streik. Vor allem betroffen waren die öffentliche Verwaltung und der Bildungssektor. Den aufrufenden Gewerkschaften UGTM, FDT und ODT zufolge lag die Streikbeteiligung zwischen 75 und 100 Prozent. Neben dem höheren Renteneintrittsalter und einer Anhebung der Rentenbeiträge richtete sich der Unmut der Streikenden auch gegen allgemein steigende Preise bei gleichzeitig eingefrorenen Löhnen, Massenentlassungen und eine wachsende Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse – Stichwort: Zeitarbeit. Auch warten die ArbeitnehmerInnen des Landes nach wie vor auf die Umsetzung und Ausweitung gewerkschaftlicher Freiheiten, die ursprünglich nach dem arabischen Frühling im „Abkommen vom 26. April 2011“ festgeschrieben worden waren. Zentralbank-Chef Abdellatif Jouahri forderte Gewerkschaften und Regierung derweil zu einer Konsensfindung auf, um die Wirtschaft des Landes nicht weiter zu destabilisieren. Die Gewerkschaften für ihren Teil kündigten jedoch an, aufgrund der aussichtslosen sozialen Lage nun auf einen Generalstreik hinzuarbeiten.

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar