Dreckige Geschäfte

Meistens wird ihre Arbeit erst gesehen, wenn sie nicht verrichtet wurde, wenn der Teppich schmutzig ist, der Kaffeefleck auch nach einer Woche noch auf dem Schreibtisch ist oder der Papierkorb überquillt. Die Rede ist von Reinigungskräften, die ihre Arbeit früh oder spät erledigen, wenn keine Kundschaft da ist oder außerhalb der Arbeitszeiten von Beschäftigten. Die FAU Kiel hat im Herbst 2014 einen Fragebogen entwickelt und in der Stadt verteilt, um einen Einblick in die Arbeitsverhältnisse von Reinigungskräften zu erhalten – ein Gewerbe, das trotz seiner Wichtigkeit ein Schattendasein fristet.

Seit den 1970er Jahren gibt es den anhaltenden Trend die Gebäudereinigung auszulagern und an private Anbieter zu vergeben. Im Bemühen um Aufträge zahlen diese oft nicht den tariflichen Mindestlohn, der für die Branche 2007 eingeführt wurde. Der erste und einzige Streik von Reinigungskräften in der Nachkriegszeit fand 2009 statt. Damals ging es um 8,7 Prozent Lohnerhöhung für Putzkräfte.

Die Arbeit von Reinigungskräften bleibt oft unsichtbar.

Wer sich aber an die tarifliche Vorgabe von aktuell 9,55 Euro brutto pro Stunde in den alten Bundesländern und 8,50 Euro in den neuen Bundesländern halte, sei auf dem Markt überhaupt nicht mehr konkurrenzfähig. Das Problem dabei sei vor allem die Kundschaft, da diese immer die billigsten Angebote wählen und so Firmen mit vielen illegalisierten Arbeiterinnen und Arbeitern Tür und Tor öffneten. Unter dieser Konkurrenz, die auf niedrige Löhne und vor allem niedrige Zeitvorgaben hinausläuft, leiden natürlich vor allem die Reinigungskräfte. Petra Müller zum Beispiel arbeitet als Reinigungskraft in einer Forschungseinrichtung: „Ich arbeite an fünf Tagen etwa drei Stunden pro Tag und verdiene im Monat etwa 360 Euro. Das entspricht einem Stundenlohn von etwa sechs Euro, was für die zu machende Arbeit relativ wenig ist. Ich muss sehr schwere Eimer schleppen und mich meistens auch ziemlich beeilen, damit ich in den drei Stunden mit meiner Arbeit fertig werde, es ist also ziemlich stressig. Oft arbeite ich auch eine Viertel- oder halbe Stunde länger.“Festanstellungen als Vollzeitkräfte in diesem Bereich sind selten. Es gilt auch als erwiesen, dass der Job körperlich zu beanspruchend sei, als dass er 40 Stunden in der Woche ausgeübt werden könne. Von einem Teilzeitgehalt auf dem niedrigen Lohnniveau der Branche lässt es sich aber schlecht leben. Demgegenüber stellt die Objektmanagerin Barbara Meyer jedoch fest: „Viele meiner Leute wollen nicht auf Lohnsteuerkarte arbeiten. Sie reinigen eine Stunde am Tag, oftmals neben einer anderen Voll- oder Teilzeitstelle. Wenn sie über 450 Euro kommen würden, müssten sie fast die Hälfte als Steuern abgeben und hätten nur noch 250 Euro übrig. Dafür will kein Mensch arbeiten. Fast 80 Prozent meiner Leute sind auf 450 Euro-Basis eingestellt.“

Die Umfrage der FAU Kiel kommt zu alarmierenden Ergebnissen: Vor allem in der Gastronomie und Hotelbranche scheinen Schwarzarbeit, unpünktliche Bezahlung und fehlende Arbeitsverträge üblich zu sein. Insbesondere migrantische Arbeitnehmerinnen werden wegen fehlender Sprachkenntnisse falsch informiert, leisten unbezahlte Überstunden oder ihnen wird sogar wegen fehlender Papiere Angst gemacht. Am schlimmsten trifft es migrantische Haushaltshilfen, die jederzeit einsetzbar sind, weil sie oft auch in den Haushalten leben, in denen sie arbeiten. Teilweise wiesen die ausgefüllten Fragebögen darauf hin, dass die Haushaltshilfen auch an Bekannte „ausgeliehen” worden sind. Besonders Arbeitskräfte, die nicht mehr in den Abhängigkeitsverhältnissen, die sie schildern, beschäftigt sind, haben den Fragebogen ausgefüllt, andere haben sich wahrscheinlich aus Angst erst gar nicht getraut.

Auf die abschließende Frage, ob sie lieber einer anderen Tätigkeit nachginge, erklärt Petra Müller: „Da ich manchmal unter Rückenschmerzen leide, Hautausschlag an den Händen habe und an manchen Tagen einfach nur völlig erschöpft bin, würde ich schon gerne auf andere Weise mein Geld verdienen.“ Die besonders starke Vereinzelung der Arbeitenden in diesem Bereich stellt für eine Solidarisierung und Arbeitskämpfe jedoch ein zentrales Hindernis dar. Die Reinigungsbranche hat sehr vielfältige Facetten mit unterschiedlichsten Problemlagen, von Arbeitsverdichtung mit „Minilohn” über Schwarzarbeit ohne Arbeitsrechte bis hin zu Ausbeutung in sklavenähnlichen Zuständen. Eins haben sie alle gemeinsam: es sind (Arbeits-)Verhältnisse, die nicht hinnehmbar sind und die wir deshalb verändern müssen.


Trauer um Emmely

Am 16. März 2015 verstarb Barbara Emme im Alter von 57 Jahren an Herzversagen. Besser bekannt war sie als kämpferische Supermarktkassiererin „Emmely“. Sie war 2008 von der Supermarktkette Kaiser‘s fristlos gekündigt worden, weil sie angeblich Leergutbons im Wert von 1,30 Euro eingelöst hatte, die KundInnen liegen gelassen haben sollen. Tatsächlich erfolgte die Kündigung unmittelbar nachdem Emmely sich an einem Streik beteiligt hatte. Doch die Kündigung ließ sie nicht auf sich sitzen. Mit Unterstützung eines bundesweiten Solidaritäts-Komitees skandalisierte sie ihre Kündigung im ganzen Land und kämpfte sich mit ihren UnterstützerInnen durch mehrere juristische Instanzen, bis das Bundesarbeitsgericht die Kündigung 2010 für unwirksam erklärte und Emmely wiedereingestellt wurde. Nach ihrem Erfolg betätigte sie sich weiterhin politisch. So wirkte sie an der Verfilmung ihrer Geschichte und zwei Büchern mit und tourte um die Welt bis nach Spanien, Frankreich und sogar Venezuela, um Vorträge über ihren Arbeitskampf zu halten. Emmely zeigte allen, dass Solidarität möglich ist und dass es sich durchaus lohnt zu kämpfen. Mit ihr hat die Bewegung in der BRD eine wichtige Persönlichkeit verloren.


Kauf dich glücklich

Im Mai 2015 erscheint das kontrovers diskutierte Buch „Prekariat. Die neue explosive Klasse” von Guy Standing bei Unrast in deutscher Übersetzung. Der Ökonom stellt darin die völlig heterogene Gruppe vor, die seiner Meinung nach die Welt destabilisieren wird, da vor allem die „Überflüssigen“ anfällig für rechtspopulistische oder fundamentalistische Versprechungen seien. Als Gegenszenario zeichnet er eine solidarische Gesellschaft, deren Basis unter anderem das bedingungslose Grundeinkommen ist.Bald erhältlich unter: 
www.unrast-verlag.de

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