Ein anderer Tarifvertrag ist möglich

Vielleicht könnt ihr erst mal was zu dem Betrieb sagen. Was ist das für ein Betrieb, was macht ihr? Wie sieht die Organisationsdichte aus und welche Gewerkschaften sind vertreten?

Betriebsgruppe: Strengthshop.de ist ein Onlineversand, der sich auf den Verkauf von Kraftsportartikeln spezialisiert hat. In den Bereichen Warenlager, Versand und Büro arbeiten wir weitestgehend selbstbestimmt. Es gibt zwar einen Chef, der alle Abläufe überwacht und letztendlich die Entscheidungsgewalt hat, aber wir strukturieren unseren Arbeitsalltag selbstständig. Die einzige bei Strengthshop.de vertretene Gewerkschaft ist die FAU Berlin, bei der alle MitarbeiterInnen Mitglieder sind.

Euer Tarifvertrag hat einige Alleinstellungsmerkmale, die ihn zu etwas besonderem machen.

BG: Ein Alleinstellungsmerkmal unseres Tarifvertrags ist das große Mitspracherecht (inkl. Vetorecht bei Neueinstellungen) der MitarbeiterInnen und der (erhöhte) Einheitslohn. Ebenfalls besonders ist das jährlich steigende Gehalt, das an die Inflation angepasst wird. Auch die Urlaubstage steigen bis Ende des Vertrags pro Jahr um einen Tag an. Erfreulicherweise konnte auch ein Urlaubsgeld sowie ein Weihnachtsgeld von jeweils 30% eines monatlichen Nettogehalts ausgehandelt werden.Jana (Tarifkommission – TK): Sehr wichtig war uns die Festschreibung der Betriebsgruppe, mit dem Recht auf Einflussnahme und Information, ohne die Nachteile eines Betriebsrates. Das ermöglicht eine aktive Gestaltung des Arbeitsplatzes durch die Arbeitenden. Gleichzeitig gibt es keine institutionelle Hierarchie über die Geschäftsführung hinaus. Um informellen Hierarchien vorzubeugen und Einflussnahme zu ermöglichen, wird die Betriebsgruppe von der FAU begleitet, erstattet Bericht und wird sich weiterbilden. Dafür hat die FAUB ein Betriebsgruppenkonzept erarbeitet. Letztlich steht und fällt aber alles mit der Aktivität der Betriebsgruppe.

Tarifverhandlungen gehen mit Arbeitskampfmaßnahmen einher. Musstet ihr kämpfen?

Markus (TK): Wenn man sich auf eine Tarifauseinandersetzung einlässt, ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Gewerkschaft sich darauf vorbereitet. Das haben wir natürlich getan, indem wir im Vorfeld eine dezidierte Eskalationsstrategie ausgearbeitet haben. Kämpfen mussten wir aber eigentlich nicht. Die Verhandlungen kamen öfter ins Stocken, aber dann mussten wir nur drohen, dass wir auch anders können. Unser Gegenüber wusste, dass die FAU kämpfen kann. Dieses Wissen hat immer gereicht, die Verhandlungen wieder in Fahrt zu bringen. Unser Gegenüber ging natürlich zu einem Fachanwalt, um den Tarifvertrag prüfen zu lassen. Der Anwalt fragte, mit welcher Gewerkschaft er verhandelt. Als unser Verhandlungspartner die FAU genannt hat, riet ihm der Anwalt davon ab, mit uns zu verhandeln, da die FAU nur an Kämpfen interessiert wäre. Nach dem Hinweis über den Organisierungsgrad im Betrieb sagte der Anwalt nur noch: Dann müssen Sie wohl.

In einer traditionellen Sichtweise lehnt der Syndikalismus Tarifverträge ab. Was entgegnet ihr KritikerInnen, die diese Sichtweise vertreten?

Markus (TK): Das sie recht haben, natürlich haben Tarifverträge ihre Tücken. Wir schließen einen Vertrag mit dem Klassengegner und das wollen wir eigentlich nicht. Aber wir befinden uns in einer Situation, in der wir eben nicht mehrere Millionen GenossInnen organisiert haben und wir daher pragmatische Wege gehen müssen um im Hier und Jetzt etwas für uns und unsere KollegInnen zu erreichen und um den KollegInnen, die außerhalb unserer Gewerkschaft stehen zu zeigen, dass wir sehr wohl etwas erreichen können, selbstorganisiert und basisbezogen. Die Verträge müssen halt einen Mehrwert für uns haben – z.B. die Stellung, die sich die Betriebsgruppe gegenüber der Geschäftsleitung erstritten hat. Übrigens haben wir eine Generalstreikklausel aufgenommen, die das Streikrecht der GenossInnen im Falle eines entsprechenden Aufrufs seitens der FAU oder anderer Gewerkschaften ausdrücklich garantiert und die sogenannte betriebliche Friedenspflicht aussetzt.

Ihr seid ein zu Hundert Prozent in einer Gewerkschaft organisierter Betrieb. Was würde passieren, wenn Mitglieder einer DGB-Gewerkschaft in den Betrieb eintreten würden? Denen würde ja nun das Tarifeinheitsgesetz auf die Füße fallen!

Jana (TK): Die Betriebsgruppe müsste sich überlegen, wie sie damit umgeht, die einzige verhandlungsberechtigte Gewerkschaft im Betrieb zu sein. Vorstellbar wäre ein solidarisches Miteinander mit den anderen ArbeiterInnen, sie in der Betriebsgruppe willkommen zu heißen, aber deutlich zu machen, dass weder Verdi noch eine andere Gewerkschaft verhandlungsberechtigt ist. BG: Es wäre begrüßenswert, wenn alle zukünftigen MitarbeiterInnen von Strengthshop.de auch der FAU beitreten, das ist aber keine Bedingung, damit ein Beschäftigungsverhältnis zustande kommt. Wir freuen uns, neuen MitarbeiterInnen die FAU und ihre Ziele vorzustellen.

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