Zahlt endlich!

Von unten auf, statt von oben herab!

No Payment? No Work!

„Organisiert euch!“, wird migrierten, mobilen und
geflüchteten Arbeiter_innen von Linken in Deutschland des Öfteren zugerufen,
auch wenn sie es allzu oft, zumindest im ökonomischen Bereich, selber nicht
sind. Ein Aufruf zur Selbstorganisation aus einer solchen Perspektive bleibt in
vielerlei Hinsicht problematisch. Als hätten wir es nicht alle nötig uns zu
organisieren, sondern nur die Leute ohne deutsche Staatsbürgerschaft. Und als
hätten Kriege, globales Dumping, Naturzerstörung etc. nichts mit unserer
Unorganisiertheit, gerade in den Industrienationen zu tun. Zum anderen: Wie
wenig nützlich ist es in einem anderen Land auf eine verbalradikale Bewegung zu
stoßen, die mir sagt, was ich schon weiß, nämlich dass ich kämpfen muss, mir
selbst aber kaum eigene Erfahrungen zu sozialen Kämpfen im entsprechenden Land
weitergeben kann.

Wir sind nicht Volk, wir sind Klasse!

Gegenentwurf: Sich mit oder ohne Staatsbürgerschaft gegen
die tägliche Ausbeutung und soziale Ungerechtigkeit auflehnen. Innerhalb dieser
sozialen Kämpfe lässt sich auch praktisch und niedrigschwellig darstellen, wie
die Not von Lohnabhängigen in verschiedensten Ländern, wie Prekarisierung,
Krieg und ökologische Katastrophen zusammen hängen, genauso, dass eine Chance
auf Überwindung nur in einem globalen Zusammenhalten liegen kann. Diese
Zusammenhänge sind plausibel und auch potentiell für jene von Interesse, die
sich von komplexen soziologischen und politischen Theorien habituell bis jetzt
eher abgestoßen fühlen. Zudem taugen diese Art antinational-solidarischer
Erfahrungen zur Nachhaltigkeit. Insbesondere dann, wenn Kolleg_innen
verschiedener Herkunft gemeinsame Kampferfahrungen machen. Solche Erlebnisse
wirken zur Überwindung von ggf. vorhandenen Vorurteilen tiefgreifender als
Flugblätter und Redebeiträge.

Beispiele solcher gemeinsamen Kämpfe auf Augenhöhe finden
sich in der FAU aktuell in Berlin, Freiburg und Dresden – insbesondere im
Bausektor.

Ausbeutung mit System…

Das System der Ausbeutung migrantischer Arbeitskraft auf
deutschen Baustellen: Prekarisierte Arbeiter_innen werden unter Versprechungen
nach Deutschland gelockt. Oft verbraucht die Reise schon die Rücklagen der
Betroffenen. Hier angekommen, müssen viele auf der Baustelle oder in
überfüllten Quartieren auf dem Firmengelände schlafen. Einmal vor Ort, wird
nicht selten der ursprünglich versprochene Lohn reduziert und die Übernachtungsstätte
überteuert in Rechnung gestellt. Willkürliche Kündigungen, Vernachlässigung des
Arbeitsschutzes und damit Unfälle sind an der Tagesordnung. Viele Kolleg_innen
werden auf Papiere und Arbeitsverträge vertröstet, und arbeiten in Wirklichkeit
unwissentlich schwarz. In der Montage ist es nicht unüblich, dass Löhne in
täglichen, wöchentlichen oder monatlichen Abschlägen gezahlt werden. Eine
typische Erfahrung betrogener Kolleg_innen: Sie erhielten mit der Zeit immer
geringere Abschläge mit immer mehr Verspätung. Oftmals wird gerade so viel
gezahlt, dass die Arbeiter_innen sich auf den Beinen halten können, zum Teil
nicht einmal das.

Das Kalkül: Unternehmen lassen sich auf billige Sub- und
Subsubunternehmen ein und erwarten von ihnen zum Teil Bauleistungen für einen
Bruchteil des notwendigen Preises bei voller Bezahlung. Auch den Generalunternehmer_innen
muss damit klar sein, auf welche Weise eine so vereinbarte Leistung zu Stande
kommt. Das Subsubunternehmen hofft darauf, dass im Idealfall sich die
Arbeiter_innen bis zum Ende der Baustelle in Schach halten lassen und dann mit
einem Bruchteil des vereinbarten Lohns nach Hause fahren. Funktioniert das
einmal nicht, werden die wütenden Kolleg_innen teilweise mit Kündigungen,
illegalen Abmeldungen aus Deutschland oder gar Schlägertrupps verjagt und die
letzten Arbeiten von einer anderen Firma erledigt.

Gegen dieses Unrecht vorzugehen ist schwer. Die meisten
haben kein Wissen über das deutsche Arbeitsrecht oder die wenigen vorhandenen
Beratungsstellen. Vielen Kolleg_innen fehlen zu dem die Sprachkenntnisse für
eine entsprechende Recherche. Nicht zuletzt sind die meisten Kolleg_innen nach
einem solchen Betrug finanziell am Ende, müssen sich oft noch Geld für die
Rückfahrt schicken lassen. Durch die schlechte Dokumentation der Arbeitszeiten
und die Schwierigkeit, Prozesse aus einem anderen Land heraus zu führen und nur
dort Zeug_innen benennen zu können, werden Prozesse vor deutschen
Arbeitsgerichten schließlich auch noch zu einem Glücksspiel. Für viele
Kolleg_innen erscheint daher eine Gegenwehr gegen das erfahrene Unrecht
unmöglich oder zwecklos.

…und der stärker werdende Gegenwind.

In Freiburg wird um den Lohn von mehreren polnischen
Kolleg_innen geklagt, die ersten Etappen wurden bereits gewonnen. Die FAU
Berlin unterstützt sieben Mitglieder aus Rumänien, die beim Bau der Mall of
Berlin geprellt wurden, mit beeindruckenden Aktionen und in mehreren Prozessen.
Das Medienecho war beeindruckend, die Prozesse bis jetzt überwiegend
erfolgreich, vor allem aber der Imageschaden für die Ausbeuter_innen
beträchtlich. Wegen geringer juristischer Chancen kämpft die FAU Dresden rein
aktionistisch um den Lohn eines bulgarischen Mitglieds. Im Vordergrund stand
bei all diesen Konflikten zunächst die konkrete Unterbringung und finanzielle
Nothilfe der Kolleg_innen.

Dass diese drei Kämpfe erst der Anfang sind ist klar. Nun
soll zum einen über die beschriebenen Verhältnisse und Arbeitskämpfe informiert
und vermehrt auf potentiell betroffene Kolleg_innen mit und ohne
Staatsbürgerschaft zugegangen werden. In allen drei Fällen kamen die
Kolleg_innen erst nach der Kündigung auf uns zu, was die Möglichkeiten zu
direkten Aktionen enorm verschlechtert und uns weitgehend auf juristische
Möglichkeiten zurückwirft. Ziel ist es nun eine frühzeitigere Organisation
anzustoßen.

Unterstützung tut Not!

Es stellt eine große Herausforderung für Syndikate dar, sich
mit international agierenden Baukonzernen anzulegen und Kolleg_innen zu helfen,
mit denen es oft keine gemeinsame Sprache gibt und die keineswegs aus einem
linken Milieu stammen. Der Aufwand an Rechtsrecherche, Öffentlichkeitsarbeit,
Übersetzungen und Kommunikation ist beträchtlich. Wer die Unterstützung solcher
Arbeitskämpfe für nötig hält, sollte daher auch aktiv FAU-Strukturen
unterstützen. Zum einen geht dies natürlich durch die Teilnahme an Aktionen
oder das Unterschreiben begleitender Petitionen. Zum anderen kann mensch sich
als Dolmetscher_in beim Syndikat anbieten oder sich bei den verantwortlichen
Unternehmen telefonisch, per Fax, Brief oder E-mail beschweren um den Druck zu
erhöhen. Vor allem hilft es aber, die Selbstorganisation durch eigenes
Engagement in den Gewerkschaften zu unterstützen und vielfältiger zu gestalten.

 

dresden.fau.org

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